Heruntergekommen

Palme
Bild: unsplash.com, Alec Bennett

Bibliodrama, die Geschichte vom Zachäus auf dem Baum – ein Abendangebot für Gäste der katholischen Kirche auf unserer Insel Juist. Altbekannt diese Szene, aber eben nicht nur Bibel für Kommunionkinder!

Wir kannten uns alle nicht an dem Abend, eine bunte Gruppe von Touristen, die sich von dem Angebot angesprochen fühlten. Jede und jeder sollte sich eine passende Rolle suchen in diesem Stück aus der Bibel. Da gab es sehr unterschiedliche Rollen: Jemand wählte z.B. das Haus des Zachäus als Rolle, zwei waren der Baum, auf dem Zachäus nach Jesus Ausschau hielt, andere waren die Freude, jemand war das „Angesehen-werden“, ein anderer die Suche, natürlich gab es auch Zachäus selber oder die Jünger. Eine wählte dann die Empörung (der Pharisäer) als Rolle. Sie hielt sich erstmal sehr im Hintergrund und die Geschichte nahm ihren Lauf. Alles schien reibungslos vonstattenzugehen, so wie in der Bibel beschrieben. Zachäus wollte Kontakt zu Jesus. Das klappte dann viel leichter, als erwartet. Das zunächst so leere Haus füllte sich mit Gästen. Da sprang plötzlich die Empörung auf und sprengte all die Harmonie: “Das alles ist ja nur Friede, Freude, Eierkuchen! Hohles Geschwafel, daran glaube ich nicht, das stimmt hier einfach nicht!“ rief sie laut in die Gruppe hinein.

Alles erstarrte, war irritiert, der Spielfluss war komplett gestoppt. Jede und jeder war gezwungen, sich neu zu orientieren. Es drohte genau in die andere Richtung zu kippen: von Harmonie in Spaltung und Zerrissenheit. Da trat eine Rolle auf, die bis dahin nichts gesagt hatte: Es war die Annahme. Sie sprach die Empörung an und meinte, sie könne das gut verstehen, dass sie sich so krass und laut eingeschaltet hätte. Und dann sagte sie den schlichten Satz: „Du gehörst hier übrigens dazu, komm doch einfach mit in das gastfreundliche Haus und dann sehen wir weiter!“ Sie argumentierte nicht.

Über die Autorin

Sr. Michaela Wachendorfer ist Exerzitienbegleiterin und lebt seit mehr als 14 Jahren auf der Insel Juist. Dort bietet sie u.a. Auszeiten an und versucht, Kirche als Gottesort lebendig und ansprechend zu gestalten. Im Bistumsblog gibt sie spirituelle Impulse, erzählt vom Leben und Arbeiten auf der Insel und von Begegnungen mit ständig wechselnden Menschen, die hier spontan Gemeinde bilden.

Auch da stockte es einen kleinen Moment, überraschenderweise konnte die Empörung einwilligen und mitgehen in das Haus. Es war kaum zu glauben, aber wirkte echt und entschieden. In der Schluss-Reflektion meinte dann die Frau, die die Empörung gespielt hatte und die sich gerade in ihrem Leben sehr ausgeschlossen von aller Gemeinschaft fühlte, es wäre wie ein Schalter in ihr umgelegt worden in dem Moment, in dem ihre Empörung angenommen wurde und sie trotzdem dazugehörte …

Empörung kann Kräfte freilegen, die nötig sind, um sich klarer zu werden, was wichtig ist, wofür man sich einsetzen will und muss. In Kombination mit Annahme kann sich dann etwas Heilsames ereignen. Zum Schluss konnten wir als Bibliodrama-Gruppe tatsächlich sagen: „Heute ist diesem Haus Heil widerfahren!“ und es blieb reichlich Gesprächsstoff für den Strandspaziergang!

Ein Kommentar zu “Heruntergekommen

  1. Und was wäre gewesen, wenn die Annahme nicht da gewesen wäre – oder die Empörung keine Lust gehabt hätte mitzugehen?
    Mit freundlichen Grüßen auf die Insel, Andrea Schwarz

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