Ewig wie die Sterne leuchten

Bibelfenster zum 23. November 2012:

In jener Zeit tritt Michael auf, der große Engelfürst, der für die Söhne deines Volkes eintritt. Dann kommt eine Zeit der Not, wie noch keine da war, seit es Völker gibt, bis zu jener Zeit. Doch dein Volk wird in jener Zeit gerettet, jeder, der im Buch verzeichnet ist.Von denen, die im Land des Staubes schlafen, werden viele erwachen, die einen zum ewigen Leben, die anderen zur Schmach, zum ewigen Abscheu. Die Verständigen werden strahlen, wie der Himmel strahlt; und die Männer, die viele zum rechten Tun geführt haben, werden immer und ewig wie die Sterne leuchten.

Einheitsübersetzung, Daniel 12, 1-3

Der Volkstrauertag am vergangenen Sonntag ist ein stiller Tag. Er lenkt den Blick noch einmal auf die Gräber. Mehr noch auf jene, die im Land des Staubes schlafen, wie es das Buch Daniel ausdrückt. Erstmals ist hier im Alten Testament von einer Auferstehung der Toten die Rede. Dabei werden die Gerechten strahlen wie der Himmel und ewig wie die Sterne leuchten. Welch ein wunderbares Bild für das ewige Leben im Licht und in der Gegenwart Gottes.

Der Volkstrauertag gedenkt der Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft. Der Tag gilt den Toten aus der „Zeit der Not“, wie es bei Daniel heißt. Der Tag hat eine lange und widersprüchliche Tradition. Auf Vorschlag des 1919 gegründeten Volksbunds der deutschen Kriegsgräberfürsorge wurde er 1922 erstmals begangen; das Gedenken an die Opfer des Ersten Weltkrieges stand dabei im Vordergrund. Die Nationalsozialisten bemächtigten sich dieser von rechtskonservativen Kräften stets missbrauchten Form der Erinnerungskultur, machten sie erstmals zum staatlichen Feiertag, und verkehrten sie zum Waffen klirrenden „Heldengedenktag“.

Das Bibelfenster

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Nach der Katastrophe des Zweiten Weltkrieges und der millionenfachen Ermordung von Juden, Sinti und Roma wurde der Volkstrauertag in den 1950er Jahren wieder zu neuem Leben erweckt. Von Honoratioren getragene Feiern mit folgenloser Friedensrhetorik und militärischen Kameradschaftsritualen („Der gute Kamerad“) prägten vielerorts das Bild. Die zunehmende zeitliche Distanz zu den Kriegsereignissen in den nachwachsenden Generationen macht es den Organisatoren zudem nicht leichter. Die Beteiligung ist geringer als die Resonanz in den Medien vermuten ließe.
Dabei stellt ein zeitgemäßer Umgang heute vielerorts neben das Gedenken an die deutschen Soldatengräber auch die Erinnerung an die getöteten Soldaten anderer Nationen und die Opfer der Gewaltherrschaft, die namenlosen Massengräber der ermordeten Zivilisten und Vertriebenen. Selten wird allerdings der verfolgten Kriegsgegner und Deserteure gedacht.

Mittlerweile haben sich denn auch andere Formen des Erinnerns herausgebildet, die jenseits staatstragender Bläserklänge in den Alltag der Menschen zielen, um die Opfer der Nazi-Barbarei wieder in das Bewusstsein der Gemeinschaft zu holen, aus der sie vertrieben wurden: Stolpersteine, die Namen und Daten vertriebener und ermordeter jüdischer Bürger auf den Gehwegen bewahren.
Die erschütterndste Form des Gedenkens ist in Yad Vashem in Israel zu sehen. „The childrens memorial“: Ein Sternenhimmel erinnert dort an die ungezählten ermordeten Kinder des Holocaust. Sie werden ewig wie die Sterne leuchten…
An solchen Orten wird deutlich: Eine Erinnerungskultur, die nicht „zum rechten Tun“ führt, führt zu nichts. Gedenken muss das Denken und Tun ändern.

Diakon Gerrit Schulte