Ein König ohne Krone

Bibelfenster zum 27. März 2016

Nachdem Jesus diese Geschichte erzählt hatte, brach er nach Jerusalem auf. In der Nähe der Dörfer Betfage und Betanien, die beide am Ölberg liegen, schickte er zwei seiner Jünger voraus mit dem Auftrag: „Geht in das Dorf da vorne! Gleich am Eingang werdet ihr einen jungen Esel finden, der dort angebunden ist. Auf ihm ist noch nie jemand geritten. Bindet ihn los und bringt ihn her! Sollte jemand fragen, was ihr da macht, dann sagt einfach: ‚Der Herr braucht ihn.'“ Die Jünger fanden den Esel, wie Jesus es ihnen beschrieben hatte. Als sie ihn losbanden, fragten die Besitzer: „Was macht ihr denn da?“ Sie antworteten: „Der Herr braucht ihn.“
Dann brachten sie den Esel zu Jesus. Einige legten dem Tier ihre Mäntel auf den Rücken, bevor sich Jesus darauf setzte. Auf dem Weg nach Jerusalem breiteten die Menschen ihre Kleider als Teppich vor Jesus aus. Als sie auf der Höhe des Ölbergs angekommen waren, jubelten und sangen die Menschen. Sie dankten Gott für die vielen Wunder, die Jesus getan hatte. Laut sangen sie: „Gelobt sei der König, der im Auftrag des Herrn kommt! Gott hat Frieden mit uns geschlossen. Lob und Ehre dem Allerhöchsten!“ Empört riefen da einige Pharisäer aus der Menge: „Lehrer, verbiete das deinen Jüngern!“ Er antwortete ihnen nur: „Glaubt mir: Wenn sie schweigen, dann werden die Steine am Weg schreien.“

Hoffnung für alle, Lukas 19,28-40

 

Es gibt in der Bibel so einige Geschichten, bei denen ich mich frage, was die eigentlich mit mir zu tun haben. Die Erzählung vom Einzug Jesu in Jerusalem, die uns an Palmsonntag verkündet wird, gehört in jedem Fall dazu.
Also gut: Sie erzählt davon, für wen die Jesusanhänger, die ersten Christen, Jesus gehalten haben und wer er für uns sein könnte: ein König der anderen Art – einer, der auf einem Esel reitet, ohne Krone und Throngefolge, dafür aber mit einer Botschaft! Nämlich der, dass Gott die Menschen liebt, dass er besonders die „Kleinen“ und „Schwachen“ im Blick hat, dass wir mit Gott immer neu anfangen können, er uns das Vergangene nicht nachträgt. Das hat Jesus gepredigt und noch viel wichtiger, er hat es auch gelebt, wie es alle Evangelien schon sozusagen in der Vorgeschichte zum Einzug in Jerusalem bezeugen.

Davon abgesehen, dass ich mich mit dem Königsbegriff schwer tue – auch wenn ich ihn theoretisch positiv füllen kann – frage ich mich, wie ich mich Jesus gegenüber verhalten hätte oder heute verhalten würde. Würde ich mich an den Straßenrand stellen und ihm zujubeln? Ehrlich gesagt, habe ich es so gar nicht mit Starkult, auch nicht mit religiösem; mehr noch, ein solcher, wenn er denn ausgeprägt ist, macht mich eher kribbelig und skeptisch: Was wird da eigentlich verehrt? Wohin führt solche Anhängerschaft? Sind die Leute emotional so mitgerissen, vielleicht sogar eingenebelt, dass ihnen jegliche Distanz und Freiheit zu einer vernünftigen Prüfung ihres eigenen Handelns fehlt?

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Ich frage mich: Wenn Jesus mir heute begegnen würde, würde ich erkennen, dass er mehr als nur ein „Star“ ist, dass Gott dahintersteckt? Dann nämlich würde ich mich gerne mitreißen lassen. Woran könnte ich das erkennen? Worin würde er sich von anderen unterscheiden? Wohl daran und darin, dass er im Reden und Handeln Menschen zu mehr Freiheit und Selbststand, zu innerer Größe – ohne Überheblichkeit – führt, dass er Menschen über Grenzen hinweg miteinander zu verbinden mag. Nicht um seiner selbst willen, sondern weil wir als Gottes Schöpfung dazu berufen sind, miteinander und füreinander das Leben zu schützen und wertzuschätzen, im anderen immer auch Gott zu entdecken.
Das sind für mich nicht nur Erkennungsmerkmale für Jesu „Echtheit“. Daran muss sich aus meiner Sicht jede Religion und deren Interpretation messen lassen. Daran muss sich auch mein Verhalten messen lassen. Daran erinnert mich jedes Jahr neu und immer wieder ein bisschen anders die Erzählung vom Einzug Jesu in Jerusalem …

Inga Schmitt, Pastoralreferentin