Ein Festmahl der Versöhnung
Bibelfenster zum 12. April 2012:
Das Passafest stand bevor. Jesus wusste, dass für ihn die Stunde gekommen war, diese Welt zu verlassen und zum Vater zu gehen. Er hatte die Menschen, die in der Welt zu ihm gehörten, immer geliebt. Jetzt gab er ihnen einen letzten und äußersten Beweis seiner Liebe. Jesus aß mit seinen Jüngern zu Abend. Der Teufel hatte Judas, dem Sohn von Simon Iskariot, schon den Gedanken eingegeben, Jesus zu verraten. Jesus wusste, dass der Vater ihm alles in die Hand gegeben hatte. Er wusste, dass er von Gott gekommen war und bald wieder zu Gott zurückkehren würde. Da stand er vom Tisch auf, legte sein Obergewand ab, band sich ein Tuch um und goss Wasser in eine Schüssel. Dann fing er an, seinen Jüngern die Füße zu waschen und sie mit dem Tuch abzutrocknen. Als er zu Simon Petrus kam, sagte der: „Du, Herr, willst mir die Füße waschen?“ Jesus antwortete ihm: „Was ich tue, kannst du jetzt noch nicht verstehen, aber später wirst du es begreifen.“ Petrus widersetzte sich: „Niemals sollst du mir die Füße waschen, in Ewigkeit nicht!“ Jesus antwortete: „Wenn ich dir nicht die Füße wasche, hast du keinen Anteil an mir und an dem, was ich bringe.“ Da sagte Simon Petrus: „Herr, dann nicht nur die Füße, sondern auch die Hände und den Kopf!“ Jesus erwiderte: „Wer vorher gebadet hat, ist am ganzen Körper rein und braucht sich nur noch die Füße zu waschen. Ihr seid alle rein – bis auf einen.“ Jesus wusste, wer ihn verraten würde. Deshalb sagte er: „Ihr seid alle rein, bis auf einen.“ Nachdem Jesus ihnen die Füße gewaschen hatte, zog er sein Oberkleid wieder an und kehrte zu seinem Platz am Tisch zurück. „Begreift ihr, was ich eben getan habe?“, fragte er sie. „Ihr nennt mich Lehrer und Herr. Ihr habt Recht, das bin ich. Ich bin euer Herr und Lehrer, und doch habe ich euch soeben die Füße gewaschen. So sollt auch ihr euch gegenseitig die Füße waschen. Ich habe euch ein Beispiel gegeben, damit auch ihr so handelt, wie ich an euch gehandelt habe.“
Bibel 2000, Johannes 13, 1 – 15
In der Heiligen Woche vor Ostern folgt ein wichtiger Tag, eine wichtige biblische Erzählung, eine besondere Feier der nächsten. Darum möchte ich ein Ereignis herausgreifen – ein vorösterliches, das auf Ostern hin weist. Damit verbinde ich eine besondere Erfahrung, die auch eine besondere Botschaft erzählt.
In meiner Kieler St. Heinrich-Gemeinde war eine Familie mit sechs Kindern in die Gemeinde gezogen. Sie war wegen des Berufes des Mannes hierher gezogen und weil seine älter werdenden Eltern hier wohnten. Sonntag für Sonntag traf ich sie wieder im Gottesdienst und beim Kirchenkaffee.
Im Jahr darauf. Der Gründonnerstag stand wieder mal bevor. In vielen katholischen Gemeinden ist es nach wie vor guter Brauch, dass der Diakon oder der Pastor zwölf Menschen die Füße wäscht. Besser gesagt – einen Fuß. Das, was Jesus vor dem letzten Mahl mit seinen Freunden an ihnen getan hat. „Begreift ihr, was ich eben getan habe?“, fragte er sie. „Ihr nennt mich Lehrer und Herr. Ihr habt Recht, das bin ich. Ich bin euer Herr und Lehrer, und doch habe ich euch soeben die Füße gewaschen. So sollt auch ihr euch gegenseitig die Füße waschen. Ich habe euch ein Beispiel gegeben, damit auch ihr so handelt, wie ich an euch gehandelt habe.“
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Ich erinnerte mich an die Großfamilie und fragte nach ihrer Bereitschaft. Sie sagten zu, baten aber vorher noch um ein Gespräch: „Wir sind ja erst 10; unsere Eltern von außerhalb kommen dieses Mal über Ostern zu uns. Dürfen wir sie fragen? Dann wären wir doch die üblichen zwölf. Und alle aus unserer Familie.“ Ich stimmte sofort zu. Doch dann, etwas zögerlich: „Die Großeltern sind evangelisch wie meine Frau auch. Und – sie begannen stockend weiter zu reden – wir sind geschieden und drei unserer Kinder kommen aus der ersten Ehe meines Mannes. Auch deshalb sind wir hierher gezogen.“
Oh ha, fuhr es mir durch den Kopf. Auch das noch! Wo ich immer an „heile“ Familie gedacht hatte und doch alle auch wie selbstverständlich Sonntag für Sonntag zur Kommunion gegangen waren.
„Wir haben erst im Laufe des Jahres das Vertrauen gewonnen, mit Ihnen darüber zu sprechen. Und Jesus hat ja auch mit allen Jüngern das Mahl gefeiert gleich welcher Herkunft und Zukunft.“ Ich war betroffen. Und im Überschwang der Freude über diese Familie sagte ich ihnen – fast so wie damals der Petrus: „Dieses Jahr nicht nur einen Fuß, sondern beide!“
Am Gründonnerstagabend standen Tränen in den Augen der Erwachsenen und auch in meinen Augen. Die anschließende Feier bei Brot und Wein wurde zu einem Festmahl der Versöhnung. Zu einem wahren Zeichen für Ostern.
Klaus Warning, Pastor in Teilzeit