Trauen zu vertrauen
Bibelfenster zum 23. Januar 2014:
Am Tag darauf sah er [Johannes] Jesus auf sich zukommen und sagte: Seht, das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt hinwegnimmt. Er ist es, von dem ich gesagt habe: Nach mir kommt ein Mann, der mir voraus ist, weil er vor mir war. Auch ich kannte ihn nicht; aber ich bin gekommen und taufe mit Wasser, um Israel mit ihm bekanntzumachen. Und Johannes bezeugte: Ich sah, dass der Geist vom Himmel herabkam wie eine Taube und auf ihm blieb. Auch ich kannte ihn nicht; aber er, der mich gesandt hat, mit Wasser zu taufen, er hat mir gesagt: Auf wen du den Geist herabkommen siehst und auf wem er bleibt, der ist es, der mit dem Heiligen Geist tauft. Das habe ich gesehen und ich bezeuge: Er ist der Sohn Gottes.
Einheitsübersetzung, Johannes 1, 29-34
Wie gehen Sie auf jemanden zu, den Sie noch nicht kennen, nur schon ein ganz wenig über diese Person gehört haben? Mit Offenheit und Neugier? Oder eher kritisch abwartend? Hängt vielleicht davon ab, was man vorher schon gehört hat. Mir geht es so, dass ich mich durchaus von dem leiten lasse, was mir schon erzählt wurde. Und dann kommt der erste Eindruck. Ich bilde mir oft eine Meinung, noch bevor jemand auch nur ein Wort gesprochen hat, nicht immer zum Vorteil für denjenigen. Einen Vorschuss an Vertrauen gibt es bei mir nicht vorbehaltlos. Nicht gleich jedem zu vertrauen, basiert oft auf schlechten Erfahrungen, manchmal ist es – zum Schutz – anerzogen, so wie wir Kindern beibringen, sich von Fremden fernzuhalten.
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Ganz anders positioniert sich Johannes der Täufer gegenüber Jesus. „Auch ich kannte ihn nicht“, sagt Johannes über Jesus, aber auch: „[…] ich bezeuge: Er ist der Sohn Gottes.“ Jesus hat noch keine großen Reden geschwungen, hat noch nichts Besonderes getan. Und dennoch: Johannes vertraut darauf, dass er die Zeichen richtig deutet. Und ausschließlich deshalb setzt er sein Vertrauen in Jesus – sogar ganz öffentlich. Ein riesiger Vertrauensvorschuss.
Mich beeindruckt das sehr. Dass Beziehungen gelingen, ob nun freundschaftliche, familiäre, kollegiale oder eheliche, hängt auch davon ab, ob wir einander Vertrauen schenken. Vertrauen sollten wir uns nicht erst verdienen müssen. Denn das belastet das Miteinander auf Dauer und führt auch zum wachsenden Verlust des Selbstvertrauens. Keine schöne Perspektive, wie ich finde.
Das betrifft unsere menschlichen Beziehungen, aber auch unsere Beziehung zu Gott. Die Bibel bezeugt, dass Gott uns Vertrauen schenkt, uns vorbehaltlos annimmt. Kann ich diesem Vertrauensvorschuss Vertrauen schenken? Kann ich wie Johannes der Täufer mein Vertrauen auf Gott setzen? Eine ganz schöne Herausforderung, der ich persönlich mal mehr, mal weniger gewachsen bin. Wie gut, dass ich Gottes Vertrauen und Zutrauen nicht verlieren kann.
Pastoralreferentin Inga Schmitt