Zorn und Rache sind keine guten Ratgeber
Bibelfenster zum 18. September 2011:
Groll und Zorn sind abscheulich, nur der Sünder hält daran fest. Wer sich rächt, an dem rächt sich der Herr; dessen Sünden behält er im Gedächtnis. Vergib deinem Nächsten das Unrecht, dann werden dir, wenn du betest, auch deine Sünden vergeben. Der Mensch verharrt im Zorn gegen den andern, vom Herrn aber versucht er Heilung zu erlangen? (…) Denk an das Ende, lass ab von der Feindschaft, denk an Untergang und Tod, und bleib den Geboten treu! Denk an die Gebote und grolle dem Nächsten nicht, denk an den Bund des Höchsten und verzeih die Schuld!
Einheitsübersetzung, Jesus Sirach 27,30-28,1-3.6-7
9/11 – dieses Datum hat sich in das kollektive Gedächtnis eingebrannt. In einer Orgie der Gewalt sterben im Jahr 2001 Tausende bei den Angriffen auf das World-Trade-Center in New York. Jeder hat die Bilder im Kopf. Jeder weiß, wo er zu dieser Stunde war.
Ein Vater erzählte jetzt, er habe am Abend des 11. September mit seinen neun und sieben Jahre alten Töchtern auf der Bettkante gesessen und versucht, im Abendgebet die furchtbaren Bilder und Geschehnisse des Tages anzusprechen. „Vater im Himmel, wir sind traurig, dass so etwas geschehen kann. Wir bitten, nimm die Verstorbenen in deinen Himmel auf, tröste die Trauernden, gib den Verwundeten Kraft, hilf den Feuerwehrmännern und ihren Suchhunden …“
„Und was macht Gott mit denen, die das gemacht haben?“, wollen die Töchter nach einer kurzen Stille wissen. Der Vater ist im ersten Moment sprachlos. An die Attentäter hatte er gar nicht gedacht. Aus der Frage wird ein Gespräch über Schuld und Vergebung, über Gericht und Barmherzigkeit. Gibt es da auch Grenzen? Gibt es eine Hölle? Eine klare Antwort finden Vater und Töchter an diesem Abend nicht. Aber sie schließen ein kurzes Gebet an, das die monströse Schuld der Attentäter anspricht und sie Gottes Gerechtigkeit überlässt.
Die Texte des Sonntags handeln von Zorn, Rache und Vergebung: „Groll und Zorn sind abscheulich, nur der Sünder hält daran fest. Wer sich rächt, an dem rächt sich der Herr“, heißt es bei Jesus Sirach. „Herr, wie oft muss ich meinem Bruder vergeben, wenn er sich gegen mich versündigt?“, fragt Petrus im Evangelium. „Nicht siebenmal, sondern siebenundsiebzigmal“, lautet die Antwort Jesu. An dem Zahlenspiel der Worte wird schon deutlich: Es geht Jesus um eine Grundhaltung. Es geht darum, die Spirale von Gewalt und Gegengewalt zu durchbrechen. Es gibt für das Verzeihen und Vergeben keine Grenze, kein Maß. Gottes Liebe ist maßlos. Er kommt uns mit seinem Vergeben und seiner Barmherzigkeit entgegen; deswegen sollen auch wir einander verzeihen und einander lieben – immer wieder. Das ist die Botschaft des Evangeliums.
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9/11 – dieses Datum zeigt uns in der Rückschau auch: Zorn und Rache sind keine guten Ratgeber. Gefängnisse auf Guantanomo, Folter und Irak-Krieg – bis heute kostet der 11. September immer wieder neu Menschenleben. Wer sich rächt, wer maßlos wird in seinem Zorn, der verrät am Ende sich selbst, seine eigenen Werte. „Lass ab von der Feindschaft – durchbrich die Spirale der Gewalt!“ – das ist die wichtigste Botschaft dieses schrecklichen Tages.
Diakon Gerrit Schulte