Ein Zuhause für die Zukunft?

Flüchtling
Abdu in seinem Zimmer in Don-Bosco Heim. Bild: Kirchenbote

Der 16-jährige Abdu kam als sudanesischer Flüchtling nach Osnabrück. Vorerst lebt er in der Don Bosco Katholischen Jugendhilfe. Seine Geschichte beginnt in einem kleinen Dorf im Sudan.

Auf der Fensterbank in Abdus Zimmer steht eine kleine, schwarze Holztafel. In weißer Schrift ist der Satz „Home is where your story begins“ (Zuhause ist dort, wo deine Geschichte beginnt) aufgedruckt. Diese wechselvolle Geschichte von Abdu beginnt vor 16 Jahren in einem kleinen Dorf im Sudan. Dort wird Abdu geboren. Dort ist sein erstes Zuhause. Bis zu dem Tag, an dem Rebellen sein Dorf überfallen. Sie zünden Häuser an und töten seinen Vater. Seine Mutter und seine Schwester werden seitdem vermisst. Ein Nachbar flüchtet mit dem damals Fünfjährigen nach al-Faschir. Dort wächst Abdu auf, es wird sein zweites Zuhause. Als Jugendlicher arbeitet er einige Jahre als Automechaniker. Abdu ist 14 Jahre alt, als die Polizei ihn plötzlich verhaftet. Sie hält ihn für einen Rebellen und bringt ihn in ein Gefängnis. Die Polizei foltert ihn und bricht ihm den Arm. Er soll ihnen verraten, wo sich Rebellen aufhalten. Die Folterer bringen den verletzten Jungen schließlich in ein Krankenhaus. Von dort flieht er und läuft zurück zu dem Nachbarn, bei dem er aufgewachsen ist und der schließlich die Flucht aus dem Sudan für Abdu organisiert.

Flucht vor der Folter nach Europa

Im Frühjahr 2015 beginnt seine Flucht nach Europa. An der libyschen Küste steigt er mit 130 anderen Flüchtlingen auf ein Fischerboot. „Ich weiß nicht mehr, wie lange wir unterwegs waren. Ungefähr fünf Tage lag das Boot mitten im Meer, ohne dass wir gefahren sind“, sagt Abdu. Das überfüllte Boot kommt schließlich in Sizilien an. Am Ufer kümmert sich das Rote Kreuz um die Flüchtlinge. Von Rom fährt Abdu mit dem Zug weiter nach Paris, von dort aus nach Deutschland. Mit dem Zug fährt der junge Flüchtling auch nach Osnabrück. Abdu wird von der Polizei zunächst in eine Inobhutnahme-Einrichtung gebracht.

Hilfe für Flüchtlinge

Die Flüchtlingshilfe im Bistum ist breit gefächert. In vielen Orten engagieren sich katholische Kirchengemeinden mit praktischer Unterstützung wie Kleider- und Sachspenden und der Begleitung in Flüchtlingsunterkünften. Daneben hat Bischof Bode einen Hilfsfonds aufgelegt. Dieser Fonds erstattet Sachkosten von Gemeinden und Verbänden für die Flüchtlingshilfe.

Mittlerweile wohnt er in einer Jugendwohngruppe der Don Bosco Katholischen Jugendhilfe in Osnabrück. Benannt ist sie nach Giovanni Bosco (1815 – 1888), Pater aus Turin. Don Bosco setzte sich da ein, wo Hilfe nötig war. Deshalb hat es sich auch die Katholische Jugendhilfe in Osnabrück zur Aufgabe gemacht, Kindern und Jugendlichen einen Lebensraum zu bieten. Hier leben vor allem Jugendliche ab zwölf Jahren, die in ihren eigenen Familien nicht geschützt aufwachsen können. In den zwei Jugendwohngruppen in der Osnabrücker Innenstadt haben die Jugendlichen jeweils ein eigenes Zimmer. Abdus Zimmer liegt im zweiten Stock. Eine Etage tiefer gibt es eine Küche mit großem Esszimmer. Im Wohnzimmer nebenan stehen Sofas, Schränke mit Büchern, Spielen und DVDs. „Flüchtlinge haben wir ab und zu schon in den vergangenen 20 Jahren aufgenommen. In den letzten Monaten ist ihre Zahl aber rapide angestiegen“, sagt Holger Lumme, der unter anderem die Wohngruppen leitet. Die Clearingstelle in Norddeich – sie klärt unter anderem die Hintergründe einer Flucht – sei total überfüllt. Deswegen bleiben immer mehr minderjährige Flüchtlinge auch in Osnabrück. Abdu ist einer von drei jungen Flüchtlingen, die mit sechs weiteren Jugendlichen in der Don-Bosco Wohngruppe untergebracht sind.

Leben in fester Struktur

„Hier haben sie eine feste Tagesstruktur, das ist viel wert“, sagt Lumme. „Es geht hier vor allem um Chancen. Wenn man überlegt, wie viel Leid die Jungs erlitten haben, ist eine feste Struktur wichtig“, ergänzt Florian Wesselkamp. Er betreut die Jugendlichen. „Sowohl die Flüchtlinge als auch die anderen Jugendlichen waren sehr scheu. Natürlich gibt
es auch mal Streit. Aber es funktioniert“, sagt Andrea Machner, Leiterin von Abdus Wohngruppe. Die Jugendlichen unterhalten sich auf Deutsch und Englisch. Auch für Abdu ist es eine Überwindung gewesen, jetzt ist es selbstverständlicher Alltag. „Die minderjährigen Jungen unterliegen der normalen Schulpflicht. In der Domschule und der Thomas-Morus-Schule gehen sie in die neunten und zehnten Klassen“, sagt Lumme. Die Flüchtlinge lernen die deutsche Sprache in speziellen Klassen. In ihrer Freizeit sind alle drei Flüchtlinge in einem Sportverein: Fußball, Kickboxen oder Schwimmen. „Sie haben schon viele Kontakte geknüpft“, sagt Machner. „Sie möchten sich in die Gesellschaft integrieren“, ergänzt Lumme. Bis die Jugendlichen volljährig sind, können sie in der Wohngruppe bleiben. Dann sollen sie wenn möglich eigenständig leben. Hilfe von ihren Betreuern bekommen sie wenn nötig aber trotzdem. Abdu strebt nach der Schule eine Ausbildung zum Automechaniker an. „Ich möchte auch studieren. Vielleicht Maschinenbau“, sagt der 16-Jährige. In der Wohngruppe hat Abdus Lebensgeschichte neu begonnen. Vielleicht wird Osnabrück bald auch sein neues Zuhause.