Auf dem Teppich bleiben

Schuhspitzen auf einem roten Teppich
Bild: Christian Chen

Einigen, die von ihrer eigenen Gerechtigkeit überzeugt waren und die anderen verachteten, erzählte Jesus dieses Gleichnis: Zwei Männer gingen zum Tempel hinauf, um zu beten; der eine war ein Pharisäer, der andere ein Zöllner. Der Pharisäer stellte sich hin und sprach bei sich dieses Gebet: Gott, ich danke dir, dass ich nicht wie die anderen Menschen bin, die Räuber, Betrüger, Ehebrecher oder auch wie dieser Zöllner dort. Ich faste zweimal in der Woche und gebe den zehnten Teil meines ganzen Einkommens. Der Zöllner aber blieb ganz hinten stehen und wollte nicht einmal seine Augen zum Himmel erheben, sondern schlug sich an die Brust und betete: Gott, sei mir Sünder gnädig! Ich sage euch: Dieser ging gerechtfertigt nach Hause hinab, der andere nicht. Denn wer sich selbst erhöht, wird erniedrigt, wer sich aber selbst erniedrigt, wird erhöht werden.

Lukas 18,9-14

 

Kennt sie nicht jede*r, die von sich selbst Überzeugten? Sie tummeln sich auf Straßen und Plätzen, in Familien, am Arbeitsplatz, im Freundeskreis, in der Politik, in der Nachbarschaft, aber auch in der Kirchen(gemeinde). Sie stehen da mit geschwellter Brust, die Nase leicht erhoben und verkünden von allen Dächern, wie toll sie sind bzw., um genau zu sein, wo sie schon besser sind als so viele andere. Haben sie sich erst einmal warm gelobt, fehlt nur noch der Applaus der umstehenden Menge. Dass sie sich dabei nicht selbst auf die Brust oder Schulter klopfen, verwundert eigentlich. Manche können das so charmant, dass wir ihnen ihre Selbstbeweihräucherung augenzwinkernd nachsehen. Anderen möchten wir nach drei Worten schon entgegenschleudern: „Steig doch bitte von deinem hohen Ross herunter!“ Und wieder andere beneiden wir um ihr Selbstbewusstsein. Die Grenze zwischen gesunder Selbstwahrnehmung und Arroganz ist dabei manchmal nur eine Gratwanderung.

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„Denn wer sich selbst erhöht, wird erniedrigt, wer sich aber selbst erniedrigt, wird erhöht werden.“ (Lk 18,14c) Das würde Jesus nach dem Lukasevangelium sagen, wenn er es mit den von sich selbst Überzeugten zu tun bekäme. „Hochmut kommt vor dem Fall“, wäre vielleicht eine moderne Übertragung des lukanischen Jesuswortes, zumindest des ersten Teils. Beides ist nicht die Aufforderung, sein Licht unter den Scheffel zu stellen und sich selbst und die eigenen Leistungen absichtlich klein zu machen. Das wäre „fishing für compliments“ (auf Komplimente aus sein). Das Gleichnis vom betenden Pharisäer und Zöllner und die anschließende Beurteilung der beiden unterschiedlichen Verhaltensweisen holt uns auf den Boden der Tatsachen zurück. Sie erinnern daran, dass wohl niemand vor Selbstgerechtigkeit gefeit ist und jede*r – als Einzelne*r, aber auch als Gruppe – in der Gefahr steht, überheblich das eigene Verhalten (und die eigene Meinung) als das einzig richtige und wahre darzustellen. Am Ende aber ist jede*r auf die Vergebung Gottes angewiesen, was die Verortung des Gleichnisses im Bereich des Tempels, im Judentum der bedeutendste Ort der Sündenvergebung, anschaulich macht. Nicht wir selbst machen uns gerecht, sondern Gott allein kann das.

Da ist es sinnvoll, dass wir in Erinnerung behalten, dass niemand ohne Fehl und Tadel ist, und kleine Brötchen backen bzw. den Ball schön flach halten. Wer in diesem Bewusstsein anderen begegnet, wird sicherlich zu anderen Handlungsansätzen finden als diejenigen, die auf ihrem hohen Ross sitzen bleiben.

Ja, mir ist klar, dass ich mir gleich mal an die eigene Nase packen kann. Aber da bin ich sicher nicht die einzige. Ob das tröstlich oder erschreckend ist? Vielleicht beides …

Inga Schmitt