Leichtigkeit und Weite – ein Ausflug ins Zeltlager
Ich möchte etwas Leichtes schreiben heute, weil Sommer ist, ganz unabhängig vom Wetter; und wie jeden Sommer oder eigentlich immer sehnt sich die Welt nach Leichtigkeit und Ruhe, ist doch so, das wollen wir doch alle ständig – angesichts der Lage im Büro und in der Weltpolitik – und dieser Satz ist schon viel zu lang, aber meine Gedanken sind eben auch schon sommerträge, das gebe ich zu.
Ich hätte es gerade gern so wie letzte Woche bei unseren Zeltlagerbesuchen: Still und leicht und grün, weit und unkompliziert. Frisch aufgebrühter Kaffee stets griffbereit. Eine provisorische und zugleich professionelle Küche, aufgebaut gefühlt im Nirgendwo, in der sehr gutes Essen zubereitet wird. So ein Wohlfühlessen: Chili sin Carne, Sonntagsbraten, selbstgebackener Topfkuchen von den Eltern, Kartoffelsalat mit veganen Bratwürsten, Kaiserschmarrn, …
Über die Autorin
Katie Westphal ist Pastoralassistentin. Sie schreibt Texte über Lebens- und Alltagsfragen und ist immer auf der Suche nach der richtigen Hintergrundmusik. Außerdem erzählt sie gern davon, wie es ist, Christin und Feministin zu sein: Eine gute Kombination, wie sie findet.
Gegessen wird auf Bierzeltbänken und mit Plastikgeschirr (wobei jedes Kind seinen Teller nach dem Essen selbst abwäscht und verstaut. Ja. Genau). Süßigkeiten gibt’s aus dem Kramladen in der Butterbrotstüte („Drei saure Schnüre, zwei Frösche, drei Colaflaschen und noch drei von diesen … äh, bunten Dingern da vorn, bitte.“ – wie aufregend das war, dort etwas zu kaufen!)
Bei jedem Wetter, ob 30 Grad oder Dauerregen, beschäftigt man sich mit irgendetwas Schönem, nur nicht mit Handy oder Hausaufgaben. Nachts kann man die Sterne zählen. Outfit des Tages ist so eine Mischung aus gemütlich, lässig und wetterfest mit einzelnen Statement-Pieces wie schönen Ohrringen, modischen Sonnenbrillen oder einem Shirt mit dem Aufdruck des jeweiligen Lagers. Ach ja: Eines unserer Zeltlager hat dieses Jahr das Motto „Disco“, und am Tag unseres Besuches tragen alle, wirklich alle Gruppenleiter und -leiterinnen und Kinder irgendwo Glitzer im Gesicht.
Und das mit der Stille und Weite – obwohl hier gerade 150 (!) Kinder rumlaufen, strahlt dieser Ort eine Ruhe aus. Der Blick auf grüne Baumwipfel und weite, weite Wiesen ringsum tut sein Übriges.
Meine Kollegin und ich besuchen alle Zeltlager und feiern Gottesdienst mit ihnen. Mitten auf der Wiese. Das Kreuz aus Baumstämmen hat irgendwer mit Wiesenblumen geschmückt. Wir haben zwei Bibelstellen mitgebracht, in denen das Wort „Zelt“ vorkommt; Offenbarung 21:
Siehe, das Zelt Gottes bei den Menschen! Und er wird bei ihnen wohnen, […] und Gott selbst wird bei ihnen sein, ihr Gott. Und er wird jede Träne von ihren Augen abwischen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Trauer noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein.
Ich erzähle, dass die Menschen damals von diesem Zustand geträumt haben, in dem wirklich alles gut ist und alle in Frieden miteinander leben und dass sie sich vorstellen, dass Gott dann ganz nah ist, wie als wenn er im Zelt nebenan wohnen würde. Dann lese ich noch Jesus Sirach 6,14:
Ein treuer Freund/eine treue Freundin ist wie ein festes Zelt; wer so jemanden findet, hat einen Schatz gefunden.
Das können sich alle, die im Zeltlager sind, gut vorstellen, besonders nach der Gewitternacht am Samstag. Im Zeltlager, sage ich, lässt man die Welt einfach draußen und hat zusammen eine gute Zeit. Probleme werden zusammen und unkompliziert angegangen. Alle sind verschieden, und das ist gut so. Als die Kinder sammeln sollen, was für sie die Lagerzeit so besonders macht, fallen Begriffe wie „sich aufeinander verlassen können, verzeihen, Freundschaft, albern sein können, Freiheit“.
Freiheit.
Natürlich ist auch im Zeltlager nicht alles rosig. Es gibt brenzlige Situationen. Überschwemmungen. Kinder, die schwierige und traurige Geschichten von zuhause mitbringen, denn so ganz ausblenden lässt sich die Welt natürlich nie. Dann ist das Zeltlager für alle zusammen ein kurzer Schutz(zeit)raum, in dem man aufeinander Acht gibt. Aber wie war das mit diesen Utopien, über die ich letztens schon schrieb: Es ist nie alles komplett gut. Aber Zeltlager kommt verdammt nah dran.