Bauforschung
Das Diözesanmuseum und der Dom sind eng miteinander verbunden. Nicht nur, weil wir uns in Räumen des Kreuzgangs in direkter Nachbarschaft zum Dom befinden, oder weil viele unserer Exponate aus dem Dom stammen. Auch geben viele unserer Mitarbeiter Führungen im Dom. Vielleicht haben Sie ja selbst schon einmal an einer teilgenommen. Das Wissen, welches wir in den Führungen vermitteln möchten, liefert uns unter anderem die Bauforschung. Aber was ist das genau?
Im Grunde ist die Bauforschung ein weites und interdisziplinäres Feld, in dem Vertreter unterschiedlicher Fachrichtungen tätig sind. Zwar gibt es eigene Studiengänge zur Bauforschung, aber es sind in dem Bereich auch Archäologen, Architekten, Ingenieure und Kunsthistoriker tätig. Jedoch werden dabei die Schwerpunkte seitens der einzelnen Fächer in der Regel anders gesetzt. Lange betrachtete man das Gebäude vornehmlich als reines Kunstwerk. Es soll Forscher gegeben haben, die beinahe froh waren, wenn die störende Einrichtung entfernt worden ist.
Mit der Zeit haben sich die Fragestellungen, aber auch die Methoden der Bauforschung verändert. Heute betrachtet man einen Bau auch im Hinblick auf seine Funktion. Selbst die prächtigste Kirche ist im Grunde genommen in erster Linie ein Nutzbau für einen bestimmten Zweck. Dafür wurde sie gebaut und ausgestattet. Man kann sie also gar nicht richtig verstehen, wenn man ihren Zweck nicht in die Überlegungen mit einbezieht.
Weitere Infos
- Im Kunst- und Kirchenlexikon des Diözesanmuseums erklären Mitarbeiter*innen weitere Fachbegriffe und vermitteln Hintergrundwissen, um kirchliche Kunstschätze besser kennenzulernen.
Aber wie kommen Bauforscher an ihre Informationen? Da wäre erst einmal die Untersuchung des Gebäudes selbst. Mit etwas Übung und dem nötigen Wissen lässt sich ein Gebäude gewissermaßen lesen. Anhand von Fugen im Mauerwerk lassen sich beispielsweise Bauunterbrechungen ablesen oder auch die Richtung, in der ein Bau errichtet wurde.
Vielfach wurden bei Restaurationen oder Umbauten auch andere Materialien verwendet, weshalb man diese ebenfalls nachvollziehen kann. Das Gebäude wird also bis ins kleinste Detail untersucht. Zwar ist es heute möglich, Bauten mit einem Laserscanner einzuscannen, aber das ersetzt nicht die Vermessung von Hand mit so einfachen Gerätschaften wie Maßband, Wasserwaage und Lot.
Alles wird säuberlich in einer Baubeschreibung dokumentiert. Hinzu kommen Fotografien, die den aktuellen Zustand festhalten, und Zeichnungen. So werden der Grundriss und der Aufriss, also das aufgehende Mauerwerk, in ihrem Ist-Zustand festgehalten. Manchmal werden auch steingerechte Umzeichnungen angefertigt. Dabei wird, wie der Name schon sagt, eine Wand Stein für Stein maßstabsgerecht gezeichnet. Es ist zwar eine mühsame Arbeit, aber sie veranschaulicht Strukturen innerhalb einer Wand besser als jedes Foto.
Allerdings funktioniert dies nur, wenn die betreffende Wand nicht verputzt ist. Man hat also den Bau von vorne bis hinten und von unten bis oben dokumentiert. Aber wie findet man jetzt heraus, wann er gebaut wurde, oder wann beispielsweise eine Tür vermauert wurde? Man kann anhand der verwendeten Materialien und Bautechniken oftmals schon einige Aussagen treffen. Mitunter wurden auch Ausgrabungen angestellt, und die dort geborgenen Funde verraten ebenfalls eine Geschichte. Aber das reicht noch nicht aus.
Hier kommen nun verschiedene Informationsquellen ins Spiel und die Arbeit verlagert sich in Bibliotheken und Archive. Da wären zum Beispiel die Schriftquellen. Das können alte Pilgerberichte sein, oder Biographien von Bauherren. Rechnungsbücher sind ebenfalls eine wichtige Quelle, da durch sie der Zeitpunkt und die Kosten von Baumaßnahmen überliefert ist. Aber die Texte geben meist nur Stichpunkte, die interpretiert werden müssen. Das liest sich dann in etwa wie: „Und wenn man an der Kirche ankommt, muss man erst eine große Treppe hinaufsteigen zu einem prächtigen Vorhof, in dessen Mitte ein toller Brunnen steht, an dem man sich reinigen kann, und dahinter ist die Fassade der Kirche in einem schönen Blauton.“
Sie sehen also, dass der Informationsgehalt solcher Quellen meist überschaubar ist. Vollständige Beschreibungen sind rar und kommen erst relativ spät auf. Aber auch diese lassen sich zumeist in unterschiedlicher Weise lesen, da die Autoren die Bauten mit den Worten beschrieben, die sie kannten. Stellen Sie sich einmal vor, dass Sie einen V8-Motor beschreiben müssten.
Eine weitere und sehr wichtige Quelle sind Bilder aus früheren Zeiten. Das können Gemälde sein, oder nur einfache Skizzen. Sie zeigen, wie ein Bau zu einem früheren Zeitpunkt aussah und ob bestimme Baumaßnahmen schon vorgenommen wurden. Aber auch diese bildlichen Quellen bieten vielfach Raum für Interpretationen. Vielfach zieht man zudem Vergleichsbeispiele heran. Man sucht nach Bauten aus derselben Zeit, über die mehr Informationen bekannt sind, und prüft, ob Parallelen zu erkennen sind. Allerdings können so nur Indizien, aber keine Beweise für bestimmte Überlegungen gewonnen werden. So bleibt am Ende nur, all die verfügbaren Informationen zusammenzustellen und aus diesen ein möglichst genaues Bild des Gebäudes und seiner Entwicklung zu zeichnen.
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