Beten weitet den Horizont

Beten weitet den Horizont
Bild: unsplash.com, Social Media Marketing

Die EWIGE ist Richterin und bei ihr spielt das Ansehen der Person keine Rolle. Sie ist den Allerärmsten gegenüber nicht voreingenommen und hört auf die Bitte von Menschen, denen Unrecht geschieht. Niemals überhört sie den Hilferuf der Waisen und Witwen, wenn sie ihre Klagen ausschütten. Menschen, die Gott dienen, werden mit Freude angenommen, und ihre Bitte dringt bis zu den Wolken. Das Gebet erniedrigter und entwürdigter Menschen dringt durch die Wolken, und es lässt nicht nach, bis es sein Ziel erreicht hat; es gibt nicht auf, bis die Höchste es wahrnimmt, sich für die Gerechten vor Gericht einsetzt und ihnen Recht verschafft.

Jesus Sirach 35,15b-17.20-22a (Bibel in gerechter Sprache)

 

„Not lehrt beten“, stellt eine Redensart fest. Ich frage mich, ob in diesen Zeiten, die von so vielen Krisen geschüttelt sind, mehr Menschen beten. Steigende Lebensmittel- und Energiekosten, Kriege und Krisenherde, Dürren auf der einen – Überschwemmungen auf der anderen Seite, Corona, innerkirchliche Erschütterungen – zu diesen gesellschaftlichen Nöten gesellen sich die persönlichen wie die zerbrechende Partnerschaft, der Verlust des Arbeitsplatzes, Wohnungsnot, eine schwere Erkrankung, der Verlust eines geliebten Menschen. Mehr denn je merke ich, spüren wir, dass niemand von uns das eigene bzw. das gemeinschaftliche Leben im Griff hat. Selbst wenn wir wüssten, was das Beste für uns selbst bzw. für uns alle wäre, können wir das nicht einfach machen oder herbeizwingen. Krisen führen uns nur allzu deutlich unsere Grenzen vor Augen.

Was bleibt, wenn ich nichts mehr machen kann? – Mir bleibt Beten. Nein, das ist kein Allheilmittel, davon wird nicht alles gut. Und doch wird manches besser, das ist zumindest meine Erfahrung. Selten genau so, wie ich es mir wünsche. Das hat mir allerdings auch niemand versprochen. Beten erdet mich, indem es mir immer neu ins Bewusstsein ruft, dass ich nicht allein bin angesichts all der Herausforderungen: Gott steht mir zur Seite. Beten weitet meinen Horizont, indem ich loswerde, was mich bewegt: Es entsteht Raum für neue Perspektiven. Beten öffnet mich, indem ich meine Aufmerksamkeit neu ausrichte: Ich erfahre Verbundenheit mit Gott, mit anderen.

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Beten entlastet mich: Ich werde mir bewusst, dass ich gar nicht alles allein schaffen muss. „Ich will euch Zukunft und Hoffnung geben.“ (Jer 29,11) Diese Zusage Gottes eröffnet mir Handlungsspielraum. Auch wenn sich nicht sofort etwas ändert, bleibt keine Bitte eines Menschen, dem Unrecht geschieht, unerhört. Dann wird manchmal offensichtlich, dass da doch mehr geht als ausschließlich zu beten. Dann fällt mir etwas zu, wie ich im Hier und Jetzt dazu beitragen kann, dass sich Verhältnisse zum Guten hin verändern. Manchmal reichen schon kleine Gesten, manchmal hilft Solidarisierung, manchmal muss und darf es handfest werden. Immer nach den eigenen Möglichkeiten. An diesem Sonntag, dem Sonntag der Weltmission, bietet sich der Blick über den Tellerrand nach Afrika an: sich anstecken lassen von Hoffnung und Vertrauen angesichts größter Not, sich im Gebet verbinden und geben, was mir möglich ist.

Pastoralreferentin Inga Schmitt