Aufstehen

Bibelfenster zum 22. November 2013:

Wer nicht arbeiten will, soll auch nicht essen. Wir hören aber von euch, dass einige von euch ein unordentliches Leben führen und alles Mögliche treiben, nur nicht arbeiten. Wir ermahnen sie und gebieten ihnen im Namen Jesu Christi, des Herrn, in Ruhe ihrer Arbeit nachzugehen und ihr selbst verdientes Brot zu essen.

Einheitsübersetzung, 2. Thessalonicher 3, 10b-12

Der Apostel Paulus wusste, was Arbeit ist. Er hatte das Handwerk des Zeltmachers erlernt. Während seiner Missionsreisen verdiente er sich so seinen Lebensunterhalt. So kann er den Christen von Thessaloniki selbstbewusst in Erinnerung rufen: „Wir haben bei euch kein unordentliches Leben geführt und bei niemand unser Brot umsonst gegessen; wir haben uns gemüht und geplagt, Tag und Nacht haben wir gearbeitet, um keinen von euch zur Last zu fallen.“
Ein Vorbild und Beispiel wollte er damit geben. Aktueller Anlass: In der Gemeinde waren Irrlehrer aufgetreten. Sie behaupteten, der „Tag des Herrn“, die Ankunft Jesu Christi sei schon da oder stehe unmittelbar bevor. Grund genug für einige, alles stehen und liegen zu lassen – ein unordentliches Leben zu führen. Das schädigte natürlich die Gemeinschaft. So warnt Paulus: „Wer nicht arbeiten will, soll auch nicht essen.“

Das Bibelfenster

Hier kommentieren jede Woche Menschen aus dem Bistum Osnabrück eine Bibelstelle aus einer der aktuellen Sonntagslesungen – pointiert, modern und vor allem ganz persönlich.

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Das Wort richtet sich nicht gegen Menschen, die aus welchen Gründen auch immer nicht oder nur eingeschränkt arbeiten können oder die gar keine Arbeit finden. Es spricht vielmehr – positiv gewendet – von der Würde der Arbeit, ihrer Bedeutung für den Einzelnen und für die Ordnung des gemeinschaftlichen Lebens.
Die Bibel berichtet an vielen Stellen von der Arbeit in all ihren verschiedenen Ausprägungen. Das beginnt mit dem Schöpfungsbericht: Gott gibt dem Menschen den Auftrag, den von ihm angelegten Garten zu kultivieren. So unterstreicht die Arbeit die Bedeutung des Menschen; er soll das Werk Gottes fortsetzen und bewahren. Zugleich dient die Arbeit dem Lebensunterhalt. Anstrengung und Vorsorge gelten als vernünftiger Bestandteil der Arbeit. Das maßlose Anhäufen von Reichtümern wird dagegen verworfen. Neben die Arbeit tritt die Ruhe: der Sabbat.

In den aktuellen Auseinandersetzungen um gerechte Löhne und Mindestlöhne, um Leiharbeit und Werkverträge, angesichts der Anfragen an kirchliches Arbeitsrecht und nicht zuletzt angesichts der Ausbeutung von Arbeitskräften in Billiglohnländern – angesichts all dieser Fragen lohnt ein Blick in die biblischen Texte und in die Soziallehre der Kirche, insbesondere in die Sozialenzyklika von Johannes Paul II. über die menschliche Arbeit (laborem exercens 1981). Ein Blick, der uns die Augen öffnet für soziale Gerechtigkeit und Partei ergreifen lässt für die Würde der menschlichen Arbeit.

Jesus, dessen Vater Zimmermann war, hat wohl selbst bis wenige Jahre vor seinem Tod gearbeitet. Seine Gleichnisse erzählen von der Lebens- und Arbeitswelt seiner Zeitgenossen: von Landwirten, Winzern, Kaufleuten und Schafhirten. Auch die Jünger Jesu hatten Berufe: viele waren Fischer.
Wovon sprechen wir heute, wenn wir das Reich Gottes verkünden wollen? Wir sprechen ganz viel von Ämtern und Liturgien, von Wundern und Weihen, von Theologien und Sakramenten, von Kathedralen und Residenzen – und wenig vom Mühen und Arbeiten der Menschen im Alltag.
Warum eigentlich? Gott ist unter uns – nicht nur in den Hochämtern, sondern in den Montagehallen der Industrie, den Stahlstraßen der Hochöfen, an den Pflegebetten der Palliativstationen, den Autobahnkreuzen und Hauptbahnhöfen. Gott segnet die menschliche Arbeit.

Diakon Gerrit Schulte