Besessen
Bibelfenster zum 30. Januar 2012:
Sie kamen nach Kafarnaum. Am folgenden Sabbat ging er in die Synagoge und lehrte. Und die Menschen waren sehr betroffen von seiner Lehre; denn er lehrte sie wie einer, der (göttliche) Vollmacht hat, nicht wie die Schriftgelehrten. In ihrer Synagoge saß ein Mann, der von einem unreinen Geist besessen war. Der begann zu schreien: Was haben wir mit dir zu tun, Jesus von Nazaret? Bist du gekommen, um uns ins Verderben zu stürzen? Ich weiß, wer du bist: der Heilige Gottes. Da befahl ihm Jesus: Schweig und verlass ihn! Der unreine Geist zerrte den Mann hin und her und verließ ihn mit lautem Geschrei. Da erschraken alle und einer fragte den andern: Was hat das zu bedeuten? Hier wird mit Vollmacht eine ganz neue Lehre verkündet. Sogar die unreinen Geister gehorchen seinem Befehl. Und sein Ruf verbreitete sich rasch im ganzen Gebiet von Galiläa.
Einheitsübersetzung, Markus 1, 21-28
„Ein Mann, der von einem unreinen Geist besessen war“ – Das klingt beim ersten Hören etwas skurril, vielleicht sogar antiquiert. So etwas kann es doch heute nicht mehr geben, möchte man einwenden. Für das Verhalten des Mannes muss es doch eine ganz einfache Erklärung geben…
Dennoch: Das, was gemeint ist, ist mehr als aktuell: Ein Mensch ist von seiner Karriere besessen und verfolgt seine Ziele rücksichtslos. Jedes Mittel scheint ihm recht. Die Menschen seiner Umgebung sind ihm dabei egal.
Ein anderer ist von seinem Auto besessen und poliert stundenlang daran herum. Immer wieder kreisen seine Gedanken darum, wie er seinen Wagen noch attraktiver und ausgefallener machen kann. Jeder Kratzer treibt ihn dagegen zum Wahnsinn.
Und ein Dritter ist vielleicht besessen von dem Wunsch nach grenzenloser Anerkennung. Mit dem, was er tut und sagt, mit seinem Aussehen und seiner Kleidung, ist er stets bemüht anderen zu gefallen, ohne die Frage zu stellen: Was will ich eigentlich?
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Macht, Besitz und Anerkennnung – Das sind drei große Verführungen, die einen Menschen zum „Besessenen“ machen können. Natürlich gehören diese Dinge zum Leben dazu. Fraglich ist nur: Wer besitzt/besetzt hier wen? Wovon lasse ich mich verführen? Welchen Dingen laufe ich hinterher, ohne zu merken, dass sie mich unfrei, vielleicht sogar kaputt machen?
Jesus legt sich in der Erzählung mit dem unreinen Geist an. Er legt den Finger in die Wunde und lässt sich nicht abschrecken. Er deckt die Verstrickungen auf und macht deutlich, dass Gott die Freiheit des Menschen will.
Das ist Herausforderung und Auftrag an uns. Vielleicht haben wir uns schon gut eingerichtet in der schlechten Atmosphäre, halten manches für selbstverständlich und richtig, was andere Menschen niederhält und ausgrenzt. Vielleicht wissen wir um die persönlichen Unfreiheiten und verstecken uns hinter einem „Da kann man nichts machen…“.
Gott hat uns als freie und aufrechte Menschen gedacht. Insofern ist es gut, wenn wir nicht nur schöne Gedanken unserer Gottverbundenheit pflegen, sondern auch immer die Herausforderungen und Versuchungen der Wirklichkeit im Blick behalten.
Christian Adolf, Referent für Jugendevangelisierung, Jugendliturgie und junge Erwachsene