Das Herz sieht

Bibelfenster zum 3. April 2014

Der Herr sagte zu Samuel: Fülle dein Horn mit Öl, und mach dich auf den Weg! Ich schicke dich zu dem Betlehemiter Isai; denn ich habe mir einen von seinen Söhnen als König ausersehen. Als sie kamen und er den Eliab sah, dachte er: Gewiss steht nun vor dem Herrn sein Gesalbter. Der Herr aber sagte zu Samuel: Sieh nicht auf sein Aussehen und seine stattliche Gestalt, denn ich habe ihn verworfen; Gott sieht nämlich nicht auf das, worauf der Mensch sieht. Der Mensch sieht, was vor den Augen ist, der Herr aber sieht das Herz. So ließ Isai sieben seiner Söhne vor Samuel treten, aber Samuel sagte zu Isai: Diese hat der Herr nicht erwählt. Und er fragte Isai: Sind das alle deine Söhne? Er antwortete: Der jüngste fehlt noch, aber der hütet gerade die Schafe. Samuel sagte zu Isai: Schick jemand hin, und lass ihn holen; wir wollen uns nicht zum Mahl hinsetzen, bevor er hergekommen ist. Isai schickte also jemand hin und ließ ihn kommen. David war blond, hatte schöne Augen und eine schöne Gestalt. Da sagte der Herr: Auf, salbe ihn! Denn er ist es. Samuel nahm das Horn mit dem Öl und salbte David mitten unter seinen Brüdern. Und der Geist des Herrn war über David von diesem Tag an.

Einheitsübersetzung, 1 Samuel 16,1b.6-7.10-13b

 

Ob nun Deutschland den Superstar sucht, der Bachelor oder sonst wer über eine Fernsehshow eine Frau: der erste Eindruck zählt – bei den Suchenden, aber auch bei den Zuschauerinnen und Zuschauern. Das gilt nicht nur für das Fernsehen; auch im „echten“ Leben lassen wir uns davon leiten, wie jemand auf den ersten Blick auf uns wirkt. Da ist klar im Vorteil, wer schon mal gut aussieht und wer sich gut verkaufen kann, ohne viele Worte zu machen. Jede und jeder von uns hinterlässt einen ersten Eindruck in der Begegnung mit Fremden bzw. lässt sich vom ersten Eindruck leiten. Manchmal entscheidet sich in Bruchteilen von Sekunden, ob wir jemandem eine Chance geben bzw. weiteres Interesse an ihm oder ihr haben, ob nun in beruflichen oder privaten Zusammenhängen. Aber: der erste Eindruck kann auch trügen.

Samuel geht es da nicht anders als uns. Er hat von Gott den Auftrag bekommen, den nächsten König für Israel zu salben. Er bekommt sogar gesagt, wo er fündig werden wird, nämlich bei den Söhnen des Isai. Eliab hinterlässt gleich auch bei Samuel den passenden Eindruck, ganz ohne Bewerbungsgespräch oder Eignungstest: Samuel sieht ihn und ist sich gewiss: Der muss es sein! Samuel hat Glück, er muss sich nicht auf seinen eigenen ersten Blick verlassen, sondern bekommt Schützenhilfe von Gott selbst. Und der sieht mehr als den äußeren Schein. Aussehen und eine stattliche Gestalt allein reichen nicht, um ein Volk als König zu führen. Gott sieht das Herz, er kann tiefer blicken. Was auch immer Gott in den Herzen der Brüder sieht, nur das von David kann ihn überzeugen. Somit wird David zum späteren König gesalbt.

Das Bibelfenster

Hier kommentieren jede Woche Menschen aus dem Bistum Osnabrück eine Bibelstelle aus einer der aktuellen Sonntagslesungen – pointiert, modern und vor allem ganz persönlich.

Haben Sie eine Frage? Eine ganz andere Idee zum Thema? Oder möchten das Bibelfenster als kostenlosen Newsletter abonnieren?

Dann schreiben Sie uns!
An bibelfenster@bistum-os.de

Allerdings garantiert dieser tiefere Blick nicht, dass hinterher alles wie geschmiert läuft. Die Bibel gezeugt David als großen König Israels, der viel erreicht und geleistet hat. Aber auch dieser von Gott auserwählte König hat Fehler begangen und schwere Schuld auf sich geladen. Kein Märchenkönig, sondern ein menschlicher mit Stärken und Schwächen. Deswegen lässt Gott David aber nicht fallen, sondern er gibt ihm immer wieder die Chance des Neuanfangs.
Wir sagen manchmal: Jeder verdient eine zweite Chance. Das sollte nicht nur nach dem ersten Eindruck gelten. Ein zweiter und dritter und manchmal auch ein tieferer Blick eröffnen uns wertvolle Einblicke und Erkenntnisse in unsere Mitmenschen. „Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar“, formuliert der Schriftsteller Antoine de Saint-Exupéry in seinem Buch „Der kleine Prinz“. Das braucht Zeit und mehr als eine zweite Chance. Nehmen wir uns die Zeit und gönnen uns mal einen anderen Blick auf die Menschen um uns herum. Wer weiß, was es da alles zu entdecken gibt!

Inga Schmitt, Pastoralreferentin