Das Kreuz mit dem Kreuz
Bibelfenster zum 17. September 2014
Christus Jesus war Gott gleich, hielt aber nicht daran fest, wie Gott zu sein, sondern er entäußerte sich und wurde wie ein Sklave und den Menschen gleich. Sein Leben war das eines Menschen; er erniedrigte sich und war gehorsam bis zum Tod, bis zum Tod am Kreuz. Darum hat ihn Gott über alle erhöht und ihm den Namen verliehen, der größer ist als alle Namen, damit alle im Himmel, auf der Erde und unter der Erde ihre Knie beugen vor dem Namen Jesu und jeder Mund bekennt: „Jesus Christus ist der Herr“ – zur Ehre Gottes, des Vaters.
Einheitsübersetzung, Brief an die Philipper 2,6-11
Kreuze gehören in unserer christlich geprägten Gesellschaft zum gewohnten Erscheinungsbild. Wir begegnen ihnen auf, an und in Kirchen, in ländlichen Gebieten auch in Form von Wegkreuzen, auf Friedhöfen, in Todesanzeigen, in der Kunst, als Tattoo und Schmuck. Das Kreuz hat sich als christliches Erkennungszeichen schlechthin durchgesetzt.
Was für uns so selbstverständlich ist, war in der frühen Kirche durchaus umstritten. In seinem ersten Brief an die Gemeinde in Korinth schreibt der Apostel Paulus: „Wir dagegen verkündigen Christus als den Ge-kreuzigten: für Juden ein empörendes Ärgernis, für Heiden eine Torheit“ (1 Korinther 1,23). Die Kreuzigung war eine grausame Hinrichtungsart für Verbrecher, deren Sinn darin bestand, die Qualen möglichst zu verlängern. Wer den Film „Die Passion Christi“ von Mel Gibson kennt, kann das wohl anschaulich nachvollziehen. Kann es denn sein, dass wir an einen Gott glauben, der heruntergekommen ist und sich wie ein Verbrecher ans Kreuz nageln lässt?
Die Irritation von damals wird aktuell, wenn mir Erzieherinnen berichten, dass Kindergartenkinder in der Kirche mit Schrecken vor mancher Kreuzesdarstellung stehen, die die Qualen Jesu den Betrachtenden plastisch vor Augen stellt. Das kann bei den Kindern sogar zu Albträumen und Angst vor dem Betreten der Kirche führen. Dass immer mal wieder die Frage aufkommt, ob das mit dem Kreuz nicht eine Zumutung ist, verwundert da nicht.
Dennoch ist das Kreuz das Symbol des christlichen Glaubens schlechthin: In ihm verbinden sich vertikal Himmel und Erde, so wie in Jesus Christus Gott Mensch geworden ist. In ihm verbinden sich horizontal Menschen miteinander, wie Jesus Christus zu seinen Lebzeiten und auch heute noch Menschen über gesellschaftliche und religiöse Grenzen hinweg zusammenbringt und verbindet. Im Kreuz als Erinnerung an Jesu grausamen Tod wird sichtbar, dass sich unser Gott auf alles Menschliche bis ins Elend hinein eingelassen hat. Er ist ein heruntergekommener Gott im doppelten Sinn: Aus den Höhen des Himmels hinabgestiegen in die Abgründe des Menschlichen, Trost und Hoffnung für alle, die leiden. Jesu Tod am Kreuz ist Konsequenz seiner Botschaft: für die Menschen leben und, als es hart auf hart kommt, zieht er nicht in den Krieg gegen seine Gegner, sondern durchbricht den Kreislauf der Gewalt und gibt sich hin für seine Überzeugungen und für uns. „Es gibt keine größere Liebe, als wenn einer sein Leben für seine Freunde hingibt“, sagt Jesus im Johannesevangelium zu seinen Jüngern (Johannes 15,13).
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Dass die Zukunft unserer Menschheit nicht darin liegt, dass die Stärkeren sich durchsetzen und die Gewaltspirale uns in immer neue Kriege zieht, sondern dass Frieden und Gerechtigkeit durch Liebe und Hingabe möglich werden, daran erinnert das Fest Kreuzerhöhung, das die Katholische Kirche am 14. September feiert. Und daran, dass es dazu Vertrauen auf „himmlische“ Unterstützung braucht.
Inga Schmitt, Pastoralreferentin