Dienen und Führen

Bibelfenster zum 25. Oktober 2012:

Da rief Jesus sie zu sich und sagte: Ihr wisst, dass die, die als Herrscher gelten, ihre Völker unterdrücken und die Mächtigen ihre Macht über die Menschen missbrauchen. Bei euch aber soll es nicht so sein, sondern wer bei euch groß sein will, der soll euer Diener sein, und wer bei euch der Erste sein will, soll der Sklave aller sein. Denn auch der Menschensohn ist nicht gekommen, um sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen und sein Leben hinzugeben als Lösegeld für viele.

Einheitsübersetzung, Markus 10, 42-45

 

Häufig dienen diese Worte Jesu dazu, pauschal mit „den Mächtigen“ oder mit „der Macht“ abzurechnen. Dagegen möchte ich hier eine Lanze für diejenigen brechen, die als Führungskräfte Verantwortung tragen – und sie zugleich in die Pflicht nehmen.
Aus dem Lateinunterricht ist mir ein Sprichwort in Erinnerung geblieben: „Abusus non tollit usum – Der Missbrauch hebt den (rechten) Gebrauch nicht auf.“ Macht und Führung als solche sind nicht verwerflich, sondern okay und sogar notwendig. „Wer groß, wer der [oder die] Erste sein will, soll…“, sagt Jesus, und nicht: „Keiner soll groß sein (wollen).“ Wir brauchen Menschen, die andere führen wollen. Jesus selbst war für die Jünger der Erste. Christen sollen sich nicht klein machen, das tut weder ihnen noch anderen gut.

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Vielmehr kommt es Jesus auf die richtige Einstellung an: Wer führt, darf das nicht von oben herab tun, darf sich nicht für etwas Besseres halten. Gute Führungskräfte lassen nicht andere für sich arbeiten, sondern arbeiten für die anderen – wobei sie dafür durchaus Hilfe benötigen. Sie betrachten ihre Mitarbeitenden nicht als Diener, sondern sich als Diener für ihre Mitarbeitenden – auch wenn sie nicht alle Wünsche erfüllen können oder auch dürfen.
Nicht nur, aber auch und erst recht in der Kirche gilt: Das Entscheidende geschieht vor Ort, in der Begegnung von Mensch zu Mensch. Die Spitze soll mit ihrer Macht dafür sorgen, dass die Basis gut arbeiten kann. In Wirtschaft und Politik, und wohl nicht nur dort, sorgen leider immer wieder Mächtige eher für sich auf Kosten derer, für die sie Verantwortung tragen. Jesu Wort bleibt Stachel im Fleisch, auch im Leib der Kirche: „Bei euch aber soll es nicht so sein.“

Martin Splett, Caritasverband für die Diözese Osnabrück