Erntezeit
Bibelfenster zum 24. Juli 2014
In jener Zeit erzählte Jesus der Menge das folgende Gleichnis: Mit dem Himmelreich ist es wie mit einem Mann, der guten Samen auf seinen Acker säte. Während nun die Leute schliefen, kam sein Feind, säte Unkraut unter den Weizen und ging wieder weg. Als die Saat aufging und sich die Ähren bildeten, kam auch das Unkraut zum Vorschein. Da gingen die Knechte zum Gutsherrn und sagten: Herr, hast du nicht guten Weizen auf deinen Acker gesät? Woher kommt dann das Unkraut? Er antwortete: Das hat ein Feind von mir getan. Da sagten die Knechte zu ihm: Sollen wir gehen und es ausreißen? Er entgegnete: Nein, sonst reißt ihr zusammen mit dem Unkraut auch den Weizen aus. Lasst beides wachsen bis zur Ernte. Wenn dann die Zeit der Ernte da ist, werde ich zu den Arbeitern sagen: Sammelt zuerst das Unkraut und bindet es in Bündeln, um es zu verbrennen; den Weizen aber bringt in meine Scheune.
Einheitsübersetzung, Matthäus 13,24-30
Deutschland ist Fußballweltmeister – Grund zur Freude. Im Nahen Osten ist Krieg – Grund zur Sorge.
Weizen und Unkraut, soll beides wachsen?
Oder hinkt der Vergleich?
Was ich für mich aus diesem Gleichnis ziehe: Gott macht das Unkraut, das Böse nicht, und er will es auch nicht. Wenn ich also Bösem begegne, muss ich Gott nicht fragen: „Warum tust Du das, warum willst Du das so?“ Stattdessen kann ich fragen: „Warum lässt Du das geschehen, obwohl Du es doch auch nicht willst, wollen kannst?“ Für mein Gottesbild ist diese Unterscheidung sehr wichtig: Ein Gott, der Böses will oder gar tut, ist böse und darum nicht mein Gott, basta! Wer Böses zulässt, muss deswegen nicht böse sein, doch muss er sich dafür rechtfertigen können.
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Eine zweifache Antwort finde ich dazu im Gleichnis: Böses, Nichtgewolltes wird zugelassen, damit auch Gutes sein kann, das eng damit verwachsen ist und ansonsten nicht (mehr) sein könnte. Und: Die Dinge kommen einmal in Ordnung; das Gute bleibt, das Böse nicht.
Zufrieden bin ich damit nicht: Ich fürchte, es gibt eine Menge Unkraut, das guten Weizen beschädigt oder gar vernichtet. Und dass einmal alles gut wird, rechtfertigt nicht alles, was jetzt passiert. Wieso Gott dieses Unkraut wachsen lässt, das er nicht mag und das er einmal ausrotten wird, bleibt mir eine drängende Frage, die wohl Gott selbst beantworten muss – Jesu Rede vom „Feind“, vom Teufel, reicht mir jedenfalls nicht; so leicht kommt mir der allmächtige Gott nicht davon…
Martin Splett, Caritas Bistum Osnabrück