In der Schwäche liegt die Kraft
Bibelfenster zum 9. Juli 2015
Damit ich mich wegen der einzigartigen Offenbarungen nicht überhebe, wurde mir ein Stachel ins Fleisch gestoßen: ein Bote Satans, der mich mit Fäusten schlagen soll, damit ich mich nicht überhebe. Dreimal habe ich den Herrn angefleht, dass dieser Bote Satans von mir ablasse. Er aber antwortete mir: Meine Gnade genügt dir; denn sie erweist ihre Kraft in der Schwachheit. Viel lieber also will ich mich meiner Schwachheit rühmen, damit die Kraft Christi auf mich herabkommt. Deswegen bejahe ich meine Ohnmacht, alle Misshandlungen und Nöte, Verfolgungen und Ängste, die ich für Christus ertrage; denn wenn ich schwach bin, dann bin ich stark.
Einheitsübersetzung, 2 Korintherbrief 12,7-10
Ein Hammersatz: „Wenn ich schwach bin, dann bin ich stark.“ Paulus, der wortgewaltige Verkünder der Frohen Botschaft, Weltensegler und Begründer so vieler Gemeinden, outet sich als ein von Krankheit und Schwächen gezeichneter Mann: „Ein Stachel ist mir ins Fleisch gestoßen.“ Wie ein Schatten liegt eine Krankheit über seinem Leben.
Paulus bekennt sich zu Ohnmacht und Ängsten – auch wenn er weiß, dass er dadurch angreifbar wird. Für die Welt – damals wie heute – ist das eine Provokation. Erfolg und Gesundheit gelten alles. Der Starke zählt, Aufsteiger werden bewundert. Die Welt sucht Helden und Sieger. Auch die Kirche setzt oftmals auf Stärke und Größe. Wie sonst wären die ständigen Klagen über den gesellschaftlichen Bedeutungsverlust und abnehmende Zahlen zu verstehen.
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Gott hat den Weg der Schwäche gewählt, um seine Kraft zu erweisen: vom Stall zu Bethlehem bis zum Kreuz.
Eine indische Geschichte erzählt von einem Mann, der vor seinem Schatten fliehen will, statt ihn anzunehmen. Er rennt und rennt, bis er tot zusammenbricht. Dabei hätte er doch nur, so endet die Geschichte, in den Schatten eines großen Baumes treten müssen, dann wäre sein kleiner Schatten darin aufgegangen.
Wer seinen Schatten in den großen Schatten des Kreuzes stellt, gewinnt neue Kraft. „Denn wenn ich schwach bin, dann bin ich stark.“
Gerrit Schulte, Diakon