Mit königlicher Würde

Bibelfenster zum 30. November 2012

Pilatus ging wieder in das Prätorium hinein, ließ Jesus rufen und fragte ihn: Bist du der König der Juden? Jesus antwortete: Sagst du das von dir aus, oder haben es dir andere über mich gesagt? Pilatus entgegnete: Bin ich denn ein Jude? Dein eigenes Volk und die Hohenpriester haben dich an mich ausgeliefert. Was hast du getan? Jesus antwortete: Mein Königtum ist nicht von dieser Welt. Wenn es von dieser Welt wäre, würden meine Leute kämpfen, damit ich den Juden nicht ausgeliefert würde. Aber mein Königtum ist nicht von hier. Pilatus sagte zu ihm: Also bist du doch ein König? Jesus antwortete: Du sagst es, ich bin ein König. Ich bin dazu geboren und dazu in die Welt gekommen, dass ich für die Wahrheit Zeugnis ablege. Jeder, der aus der Wahrheit ist, hört auf meine Stimme.

Einheitsübersetzung, Johannes 18, 33-37

Ein Meister des geistlichen Lebens wird gefragt, was er an seinen Schülern tue. Er antwortet: „Dasselbe, was ein Bildhauer an einer Tigerstatue tut: Er nimmt einen Marmorblock und schlägt alles ab, was nicht wie ein Tiger aussieht.“
Als seine Schüler später wissen wollen, was er damit genau gemeint habe, sagt der Meister: „Meine Aufgabe ist es, alles wegzumeißeln, was nicht du bist: jedes Denken, Empfinden, jedes Verhalten; jeden Zwang, der dir aus deiner Bildung und Vergangenheit anhaftet.“

Die Kirche feiert heute am Ende des Kirchenjahres das Fest Christ König. Das ist kein Rück-fall in eine diffuse politische Romantik. Die Spur geht in eine andere Richtung. Könige bestimmen zum Beispiel viele Märchen. Im Märchen stellt der gute König immer den ganzen Menschen dar, den Menschen, der Herr ist über sich selbst. In seinem Reich gestaltet er seine Begabungen und gibt anderen Menschen Richtung und Orientierung. Im Judentum gehört zum Königsbild die Fähigkeit, die Feinde zu besiegen und Frieden zu vermitteln, also einen Lebensraum für viele zu schaffen. Für die Griechen ist der König der Weise, der die Höhen und Tiefen kennt, der sich selber kennt bis in sein Unterbewusstes.

„Das ist die größte Sünde des Menschen, dass er vergisst, dass er ein Königssohn/eine Königstochter ist“, sagt Rabi Schlomo.

Das Bibelfenster

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Jeder Mensch hat als Ebenbild Gottes eine königliche Würde. Für uns Christen wird dies in der Taufe bei der Salbung mit Chrisam zeichenhaft ausgedrückt. Was früher nur wenigen Eliten zugesprochen wurde, gilt jedem Getauften/jeder Getauften. Er/sie hat eine königliche Würde. Es ist gut, dass wir uns am letzten Sonntag des Kirchenjahres daran erinnern lassen: Im Blick auf Christus, den wahren König, das eigene Königsein entdecken. Wir haben – Gott sei Dank – in uns die Fähigkeit, die inneren Feinde zu besiegen. Wir sind unseren Gefühlen, unseren Trieben, unseren Bedürfnissen nicht hilflos ausgesetzt, auch wenn wir zu ihrer Bändigung zuweilen die Unterstützung anderer brauchen. Wir können selber bestimmen, was wir wollen.

Es ist ein optimistisches Menschenbild, das uns dieses Fest vor Augen führt. Wir können das Lebenshemmende und Lebensbehindernde in uns und um uns herum besiegen und in uns und um uns Frieden schaffen. Und im Blick auf Christus schauen wir in die Höhen und Tiefen unseres Inneren. Da erkennen wir uns selbst, da werden wir weise. Da wird alles weggemeißelt, was nicht echt ist.

Auf der ganzen Welt bezeugen Christen im Einsatz für Menschenwürde und Gerechtigkeit diese königliche Würde. Ein aktueller Zeuge dafür ist Erwin Kräutler (Träger des alternativen Nobelpreises), Bischof am Amazonas. Er steht an der Seite der Indianer und tritt für den Schutz des Lebensraumes Amazonien ein.

Generalvikar Theo Paul