Unverzichtbar für eine Gemeinde
Bibelfenster zum 31. Januar 2016
Denn wie der Leib eine Einheit ist, doch viele Glieder hat, alle Glieder des Leibes aber, obgleich es viele sind, einen einzigen Leib bilden: So ist es auch mit Christus. Durch den einen Geist wurden wir in der Taufe alle in einen einzigen Leib aufgenommen, Juden und Griechen, Sklaven und Freie; und alle wurden wir mit dem einen Geist getränkt. Auch der Leib besteht nicht nur aus einem Glied, sondern aus vielen Gliedern. Wenn der Fuß sagt: Ich bin keine Hand, ich gehöre nicht zum Leib!, so gehört er doch zum Leib. Und wenn das Ohr sagt: Ich bin kein Auge, ich gehöre nicht zum Leib!, so gehört es doch zum Leib. Wenn der ganze Leib nur Auge wäre, wo bliebe dann das Gehör? Wenn er nur Gehör wäre, wo bliebe dann der Geruchssinn? Nun aber hat Gott jedes einzelne Glied so in den Leib eingefügt, wie es seiner Absicht entsprach. Wären alle zusammen nur ein Glied, wo bliebe dann der Leib? So aber gibt es viele Glieder und doch nur einen Leib. Das Auge kann nicht zur Hand sagen: Ich bin nicht auf dich angewiesen. Der Kopf kann nicht zu den Füßen sagen: Ich brauche euch nicht. Im Gegenteil, gerade die schwächer scheinenden Glieder des Leibes sind unentbehrlich.
Einheitsübersetzung, 1. Korinther 12,12-22
„Der menschliche Körper“ – so heißt einer der bekanntesten Sketche von Otto Walkes: „Großhirn an alle: Fertigmachen zum Ärgern! Blutdruck: Steigen! Faust: Ballen! Milz: Schnauze! Du fliegst gleich raus!“ Der Sketch über das Zusammenspiel der Organe ist Kult. Gerade noch rechtzeitig sorgt das Kleinhirn für Einsicht im Streit mit einem vom Auge als viel zu stark erkannten Gegner.
Streit – den kannten auch die Christen in Korinth. Das Leben war hart und selten spaßig. In den Häfen der damaligen Mittelmeermetropole mussten sich fast alle Menschen ihr Brot mit körperlicher Schwerstarbeit verdienen. Wenige reiche Familien, die es mit den römischen Machthabern hielten, gaben den Ton an. Die Auseinandersetzungen zwischen arm und reich, zwischen gebildet und ungelernt wirkten sich bis in die christliche Gemeinde aus. Es wurde gestritten, was das Zeug hält: Über die Frage der Loyalität gegenüber der Obrigkeit, über die Beziehung von Mann und Frau, ja sogar über die angemessene Form des Abendmahls.
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In diese Spannung hinein zeichnet Paulus das Bild der christlichen Gemeinde als dem einen Leib mit seinen vielen Gliedern. Christliche Gemeinde, das soll ein zusammenhängender und lebendiger Organismus sein. Liebe und Gerechtigkeit, statt Dünkel und Vorrecht. Jeder soll den anderen in seiner Eigenart als unverzichtbar für das Ganze anerkennen – unabhängig von Herkunft und Besitz, Bildung und Leistungsfähigkeit. „Gerade die schwächer scheinenden Glieder des Leibes sind unentbehrlich“, schärft der Apostel den Christen ein.
Wenn man das Bild des Apostels ernst nimmt, dann fehlt den Gemeinden etwas, wenn die Armen oder Kleinen, die Alten, die Behinderten, die Obdachlosen und Flüchtlinge nicht wirklich dazu gehören. Eine Gemeinde, die sich dieser diakonischen Orientierung stellt, wird Verschiebungen spüren, sagt der Theologe Richard Hartmann, „wenn die, die am Rand oder gar jenseits des Randes der Gemeinde standen, in guter jesuanischer Haltung in die Mitte rücken“.
Gerrit Schulte, Diakon