Wachsen lassen
Bibelfenster zum 22. Juli 2011:
In jener Zeit erzählte Jesus der Menge das folgende Gleichnis: Mit dem Himmelreich ist es wie mit einem Mann, der guten Samen auf seinen Acker säte. Während nun die Leute schliefen, kam sein Feind, säte Unkraut unter den Weizen und ging wieder weg. Als die Saat aufging und sich die Ähren bildeten, kam auch das Unkraut zum Vorschein. Da gingen die Knechte zum Gutsherrn und sagten: Herr, hast du nicht guten Weizen auf deinen Acker gesät? Woher kommt dann das Unkraut? Er antwortete: Das hat ein Feind von mir getan. Da sagten die Knechte zu ihm: Sollen wir gehen und es ausreißen? Er entgegnete: Nein, sonst reißt ihr zusammen mit dem Unkraut auch den Weizen aus. Lasst beides wachsen bis zur Ernte. Wenn dann die Zeit der Ernte da ist, werde ich zu den Arbeitern sagen: Sammelt zuerst das Unkraut und bindet es in Bündeln, um es zu verbrennen; den Weizen aber bringt in meine Scheune.
Einheitsübersetzung, Matthäus 13, 24-30
Zu diesem Gleichnis habe ich sofort ein Bild im Kopf: blaue Kornblumen und roter Klatschmohn am Feldrand. Für Landwirte sind diese Pflanzen sicher genauso Unkraut wie die Gänseblümchen für den Rasenbesitzer. Für mich machen sie das Bild erst schön.
Außerdem muss ich an eine Begebenheit denken, die meine Mutter als Kind erlebt hat. Einmal musste sie im Garten Unkraut jäten. Als sie damit fertig war, musste mein Großvater leider feststellen, dass sie da wohl etwas verwechselt hatte: Das Unkraut stand nämlich noch in fein säuberlichen Reihen im Beet, während der Rest der Pflanzen welk auf dem Kompost gelandet war.
Beides erinnert mich daran, dass das mit dem Unkraut so eine Sache ist: Manchmal ist es nicht so leicht von dem zu unterscheiden, was man eigentlich wachsen lassen möchte, und manchmal entwickelt es seinen ganz eigenen Sinn. Deshalb sagen manche: „Unkraut gibt es nicht, es gibt nur Wildkräuter!“
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Im Gleichnis stehen Korn und Unkraut für die Menschen. Alle, Gute und Böse, dürfen gemeinsam wachsen und gedeihen, bis die Zeit reif ist für die Ernte. Niemand soll unterwegs aus Versehen verloren gehen. Erst am Ende wird sich zeigen, wer was ist, wer zur Gemeinde Gottes gehört. D. h. es ist nicht an mir, die Menschen zu beurteilen und danach zu sortieren, ob sie „richtig“ glauben und leben. Bei Gott wird niemand frühzeitig aussortiert, sondern jeder und jede hat bis zum Ende Zeit zu wachsen, sich zu entwickeln, zu reifen! Vielleicht landet bei ihm sogar so manches Wildkraut in der Scheune statt im Feuer, wie ich aus der Lesung aus dem Buch der Weisheit heraushören möchte: „Weil du über Stärke verfügst, richtest du in Milde und behandelst uns mit großer Nachsicht.“ (Weish 12,18ab) Daran können wir uns ein Beispiel nehmen.
Inga Schmitt, Pastoralreferentin