Weinprobe

Bibelfenster zum 10. Oktober 2014

Ich will ein Lied singen von meinem geliebten Freund, ein Lied vom Weinberg meines Liebsten. Mein Freund hatte einen Weinberg auf einer fruchtbaren Höhe. Er grub ihn um und entfernte die Steine und bepflanzte ihn mit den edelsten Reben. Er baute mitten darin einen Turm und hieb eine Kelter darin aus. Dann hoffte er, dass der Weinberg süße Trauben brächte, doch er brachte nur saure Beeren.

Einheitsübersetzung, Jesaja 5,1-2

 

Wo findet man den Weinberg des Herrn? Am Kaiserstuhl in Baden – dort betreiben die Werkstätten der Freiburger Caritas mit ihren behinderten Mitarbeitern nahe des kleinen Ortes Riegel einen Weinberg. Mit ihren Vorabeitern erleben die Behinderten die schwere körperliche Arbeit und die Freude des Feierns nach getaner Arbeit.
Diese Arbeit ist wirklich hart. Das kann man bei Jesaja lesen: Da geht es ums Umgraben und Entfernen der Steine, Unkraut muss entfernt werden. Hecken und Mauern werden zum Schutz der Reben angelegt; der oft steinharte Boden muss gehackt werden. Gearbeitet wird am Berg mit Auf- und Abstiegen. Die Lage am Kaiserstuhl sagt schon alles: Amolterer Steinhalde. Aber die Mühe lohnt! Wenn der Deutsche Caritasverband seinen Jahresempfang für die Politprominenz in Berlin gibt, wird dieser Wein gereicht. Die Frucht seiner Arbeit.

Das Bibelfenster

Hier kommentieren jede Woche Menschen aus dem Bistum Osnabrück eine Bibelstelle aus einer der aktuellen Sonntagslesungen – pointiert, modern und vor allem ganz persönlich.

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Dieser Weinberg bringt Frucht in mehrfacher Hinsicht. Er zeigt, zu welchen Leistungen behinderte Menschen fähig sind. Aber das ist nachgeordnet. Wichtiger ist die Freude an der Arbeit. Und die Würde, die jedem Menschen aus seiner Arbeit erwächst. Gefördert und gebraucht werden, Teilhabe am Erfolg spüren, Gemeinschaft erleben.
In vielen Bereichen der Gesellschaft ist das anders. Da werden Wachstum und Profit zu Götzen erhoben, der Mensch nach Leistungsfähigkeit und Nutzen bewertet.

Viele fallen durch das Raster. In guten Zeiten – wie derzeit erlebbar – haben es die Schwachen noch schwerer als sonst. Förderungen für Langzeitarbeitslose werden gekürzt. Prekäre Arbeitsverhältnisse geduldet, Ausbeutung und Mietwucher ermöglicht. Zuletzt gibt es solche, die etwa in Billiglohnländern über Leichen gehen, um immer mehr zu haben. „Auf, wir wollen ihn töten, damit wir seinen Besitz erben!“ rufen die Winzer im Matthäus Evangelium und töten den Sohn des Weinberg-Besitzers.
Gott will Frieden und Gerechtigkeit, so mahnt der Prophet Jesaja. Gott hört den Schrei des Rechtlosen. Im Bild vom Weinberg wird sichtbar, mit wie viel Liebe und Sorge Gott sich seiner Schöpfung zuwendet. Ein wenig davon kann man am Weinberg der Caritas am Kaiserstuhl erleben und schmecken. Eine Probe lohnt!

Diakon Gerrit Schulte