Eine erstaunliche Zusammenstellung

Bald schon wurde ein Kloster an dem Ort erbaut, an dem der Heilige Franz von Assisi im Jahr 1223 die Weihnachtskrippe erfunden hat. In der Grotte, in der diese erste Feier stattfand, gibt es heute noch ein ganz besonderes Fresco, das unten im Bild zu sehen ist und über das Bruder Franz Richardt ofm schreibt:

„Eine erstaunliche Zusammenstellung auf diesem Bild aus der Giotto‐Schule (14. Jh.): das Kind in der Krippe, darüber der Altar mit den eucharistischen Gaben und davor der Heilige Franziskus: kniend, in Anbetung des göttlichen Kindes. Krippe und Altar: Zwei Weisen göttlicher Präsenz, über die Franziskus nur staunen und in Ehrfurcht, Anbetung und Hingabe versinken kann: der allmächtige Gott in der Gestalt des kleinen Kindes und in der Gestalt des unscheinbaren Brotes.

Greccio

Beide Daseinsweisen Gottes sammeln sich für Franziskus in dem Ausdruck „Demut Gottes“. Wie für Franziskus die Demut Gottes im eucharistischen Brot gegenwärtig wird, so wird sie auch im Kind im Stall von Bethlehem anschaulich. In einem Brief an seine Brüder im Orden schreibt Franziskus: „Der ganze Mensch erschauere, die ganze Welt bebe und der Himmel juble, wenn auf dem Altar in der Hand des Priesters Christus, der Sohn des lebendigen Gottes ist! O wunderbare Hoheit und staunenswerte Herablassung! O erhabene Demut! O demütige Erhabenheit, dass der Herr des Alls, Gott und Gottes Sohn, sich so erniedrigt, dass er sich zu unserem Heil unter der anspruchslosen Gestalt des Brotes verbirgt.“

Angesicht dieser „Herablassung“, dieser „Hingabe“ Gottes mahnt Franziskus dann seine Brüder: „Seht, Brüder, die Demut Gottes und schüttet vor ihm eure Herzen aus! Demütigt auch ihr euch, damit ihr von ihm erhöht werdet. Behaltet darum nichts von euch für euch zurück, damit euch als Ganze aufnehme, der sich euch ganz hingibt.“ (Franziskus‐Quellen, Kevelaer 2009, S. 116‐117)

In Anbetung und Verehrung wird Franziskus bewusst, was allein höchste Wertschätzung verdient: Gott, der sich kleinmacht, um uns Menschen groß zu machen. Deswegen zeigt sich die Größe des Menschen, wenn er sich vor dem großen Geheimnis, das wir Gott nennen, klein machen kann. Deswegen kann der Mensch in der Anbetung einen Weg zum wahren Selbst finden. Demut meint hier nicht sklavische Unterordnung und Selbstverachtung, sondern ist Ausdruck eines freien Menschen, der sich seiner Würde bewusst ist.

Weitere Infos

Neben Krippe und Altar hat der Künstler Maria ins Bild genommen. Sie ist das klare Beispiel dieser dem Menschen angemessenen Haltung der Demut: „Denn er hat angesehen die Niedrigkeit seiner Magd. Siehe, von nun an preisen mich selig alle Geschlechter“ (Lk 1.48). Die Mitte zwischen Niedrigkeit und Hoheit ist der Ort der Demut. Wer sich so wie Franziskus in Ehrfurcht vor Gott auf die Erde (humus) knien kann, zeigt Demut (humilitas). Demut offenbart die wahre Größe eines Menschen. „Das gebeugte Knie und die hingehaltenen leeren Hände sind die beiden Urgebärden des freien Menschen“ schreibt Alfred Delp kurz vor seiner Hinrichtung.“