Gesammelte Geschichte

Koffer
Bild: unsplash.com, Erwan Hesry

Von dort brach Jesus auf und kam in seine Heimatstadt; seine Jünger folgten ihm nach. Am Sabbat lehrte er in der Synagoge. Und die vielen Menschen, die ihm zuhörten, gerieten außer sich vor Staunen und sagten: Woher hat er das alles? Was ist das für eine Weisheit, die ihm gegeben ist! Und was sind das für Machttaten, die durch ihn geschehen! Ist das nicht der Zimmermann, der Sohn der Maria und der Bruder von Jakobus, Joses, Judas und Simon? Leben nicht seine Schwestern hier unter uns? Und sie nahmen Anstoß an ihm. Da sagte Jesus zu ihnen: Nirgends ist ein Prophet ohne Ansehen außer in seiner Heimat, bei seinen Verwandten und in seiner Familie. Und er konnte dort keine Machttat tun; nur einigen Kranken legte er die Hände auf und heilte sie. Und er wunderte sich über ihren Unglauben.

Markus 6,1-6a

 

Der Prophet gilt nichts im eigenen Land! – Diese Erfahrung muss Jesus in diesem Evangelium machen. Die Menschen in Nazareth sind skeptisch gegenüber seinen Worten und Taten: Das ist doch der Zimmermann von nebenan, mit uns groß geworden. Woher soll er das alles haben?

Wäre es anders gewesen, wenn Jesus aus weiter Ferne nach Nazareth gekommen wäre? Hätten die Menschen ihm dann eher zugehört? Sie scheinen ihm zumindest so große Worten und Taten nicht zuzutrauen. Schließlich ist er einer von ihnen.

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Wie Jesus als Christus des Glaubens manchmal zu weit weg ist, so ist er für die Menschen in Nazareth zu nahe. Der christliche Glaube muss beides zusammenhalten: Den Mann aus Nazareth und den Christus des Glaubens. Jesus ist ganz Mensch, in einer Familie aufgewachsen, gelernter Zimmermann. Aber er ist auch Ausdruck der Nähe Gottes. In den zahlreichen Begegnungen mit Menschen, in den Heilungen, Gesprächen und Erzählungen vom Reich Gottes wird Gott selbst erkennbar und sein Plan für das Leben in dieser Welt. Erst so wird auch das zentrale Geheimnis des christlichen Glaubens plausibel: In dem Menschen Jesus, dem Mann aus Nazareth, ist uns Heil und Erlösung geschenkt.

Oder anders formuliert: All unsere irdischen Erlebnisse, unsere Beziehungen, unsere Worte und Werke haben bei Gott ein Zukunft. Auferstehung ist – mit den Worten von Norbert Lohfink – „gesammelte Geschichte“, die sich im alltäglichen Sterben und Auferstehen schon anbahnt.

Insofern gehen der Zimmermann und der Erlöser doch ganz gut zusammen!

Christian Adolf