Keine Sorge, er kommt wieder
[Jesus sagte zu seinen Jüngern:] „Hab keine Angst, du kleine Herde! Denn euer Vater hat beschlossen, euch sein Reich zu schenken. Verkauft euren Besitz und gebt das Geld den Armen! Legt euch Geldbeutel zu, die keine Löcher bekommen: Sammelt euch einen Schatz im Himmel, der nie vergeht – an den kein Dieb herankommt und den keine Motte zerfrisst. Denn wo euer Schatz ist, da wird auch euer Herz sein. Haltet euch bereit und sorgt dafür, dass eure Öllampen brennen! Seid wie Leute, die darauf warten, dass ihr Herr von einem Hochzeitsfest zurückkehrt. Wenn er dann kommt und anklopft, können sie ihm sofort aufmachen. Glückselig sind die Diener, die der Herr wach vorfindet, wenn er nach Hause kommt! Amen, das ich sage euch: Er wird sich eine Schürze umbinden und sie zu Tisch bitten. Dann wird er hinzutreten und sie bewirten. Und wenn der Herr erst in der zweiten oder dritten Nachtwache kommt und seine Diener wach vorfindet, gilt erst recht: Glückselig sind sie! Macht euch bewusst: Wenn der Hausherr wüsste, zu welcher Stunde der Dieb kommt – er würde es nicht zulassen, dass in sein Haus eingebrochen wird. Und auch ihr sollt jederzeit bereit sein. Denn der Menschensohn kommt zu einer Stunde, in der ihr es nicht erwartet.“
Lukasevangelium 12,32-40 (Basisbibel)
„Keine Sorge, er kommt wieder!“
Nein, das ist nicht die tröstliche Reaktion auf die Sorge eines Kindes, das seinen Vater aus dem Blick verloren hat. Es ist die schmunzelnde Reaktion einer christlichen Teilnehmerin der 51. Internationalen jüdisch-christlichen Bibelwoche in Haus Ohrbeck, Georgsmarienhütte, die vergangene Woche stattgefunden hat. Bei einer Runde, in der allerlei Fragen gestellt werden konnten und gemeinsam versucht wurde, Antworten zu finden, kamen wir irgendwie auf die messianische Hoffnung zu sprechen, also auf die Hoffnung, dass Gott am Ende der Zeiten den Messias, den Retter schickt, der Gottes Herrschaft auf Erden aufrichten wird. Eine jüdische Teilnehmende hatte sinngemäß geäußert, dass Juden und Jüdinnen in dieser Erwartung leben, während für die Christ*innen der Messias bereits dagewesen sei … Daraufhin dann die Antwort: „Keine Sorge, er kommt wieder!“
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Für mich kommt in dem scheinbaren Geplänkel zum Ausdruck: Leben aus der Hoffnung auf ein gutes Ende – sehr vereinfacht gesagt – verbindet jüdischen und christlichen Glauben. „Keine Sorge, er kommt wieder!“, ist aber aus meiner Sicht auch eine gute Zusammenfassung des Evangelientextes, der uns oben angeboten wird. Seit Jesus von Nazareth gelebt hat, ist eine lange Zeit vergangen. Als Christ*innen sehen wir in ihm aber den verheißenen Messias. Mit ihm ist für uns in Gang gekommen, dass Gottes Reich auf Erden seinen Anfang nimmt, aber die Vollendung noch aussteht. Wenn ich sehe, was auf der Welt so los ist an Gewalt, Krieg, nationalistischen und fremdenfeindlichen Tendenzen, Umweltzerstörung und -ausbeutung und anderem mehr, kommt es mir allerdings manchmal so vor, als wäre nicht einmal ein Anfang gemacht. Der Evangelientext erinnert dagegen daran, die Hoffnung auf das gute Ende nicht zu verlieren und dementsprechend hoffnungsfroh zu leben, also das uns Mögliche zu tun, dass das Reich Gottes wachsen kann: umweltbewusst leben, menschenfreundlich und zugewandt kommunizieren, sich sozial engagieren, offenbleiben für alles Fremde, Polemisierungen und Hetzreden widersprechen, fürsorglich miteinander umgehen, … Es gibt so viel Kleines und Großes, das wir tun können und das Leben in Frieden und Gerechtigkeit für alle fördert.
Hoffnung auf das verheißene gute Ende ist mir Motivation gegen alle Ermüdungserscheinungen. Und die Pflanzen gelingenden Wachsens von Gottes Reich unter uns entdecken zu dürfen. Wie vergangene Woche bei der 51. Internationalen jüdisch-christlichen Bibelwoche, wo Menschen unterschiedlicher Religionen, Konfessionen und Kulturen miteinander Bibel gelesen und diskutiert haben, aufeinander und miteinander neugierig waren, ein Stück Leben geteilt, voneinander gelernt, sich auch mal aneinander gerieben haben, gemeinsam gegessen und gefeiert haben und auch sehr herzlich lachen konnten – mit- und übereinander.
Glückselig sind alle, die solche und ähnliche Erfahrungen machen dürfen und beschenkt weitergehen können. Davon zu erzählen und die eigenen Erfahrungen so zu teilen, kann positiv ansteckend sein, so nehme ich zumindest wahr.
Inga Schmitt