Kinderwunsch – Wunschkind – Designerbaby
Unter diesem Motto steht die „Woche für das Leben“ 2017. Sie wendet sich damit Fragen zu, in deren Zentrum der Wunsch nach einer sorgenfreien Schwangerschaft, einem gesunden Kind und einem guten Gedeihen des Kindes steht. Dieser Wunsch ist nicht nur zutiefst menschlich. Er ist auch vernünftig, berechtigt und in jeder Hinsicht nachvollziehbar.
Dennoch gehorchen die tatsächlichen Ereignisse oft nicht den Wunschvorstellungen. Und so stellen sich Fragen: Was kann man tun, wenn der erhoffte Kindersegen ausbleibt? Was kann vorbeugend getan werden, um eine gute Schwangerschaft und Geburt vorzubereiten? Welche Optionen gibt es, wenn Zweifel darüber entstehen, ob das Kind im Mutterleib gesund ist?
Die moderne Medizin eröffnet hier viele neue Verfahren. Bei näherer Betrachtung zeigt sich allerdings, dass die meisten dieser medizinisch-technischen Möglichkeiten mit zusätzlichen Aspekten und Nebenwirkungen verbunden sind, die sich nicht ausklammern lassen. So stehen Paare und werdende Eltern vor der Notwendigkeit, abzuwägen, Konsequenzen abzuschätzen und Entscheidungen zu treffen. Was kommt für uns infrage? Welche Risiken und Belastungen können wir auf uns nehmen? Wie weit sollen wir gehen, um unsere Zukunft als Eltern zu planen und zu beeinflussen?
Das sind sehr persönliche Fragen, auf die es keine einfachen Antworten gibt.
Eine Orientierung aus christlicher Perspektive bietet im folgenden Interview Elmar Kos. Er ist Professor für Moraltheologie an den Universitäten Osnabrück und Vechta, gläubiger Katholik und selbst Vater von vier Kindern.
Weil Sie gegen Abtreibung ist und künstliche Befruchtung kritisiert, gilt die Kirche häufig als Institution, die sich dem medizinischen Fortschritt verweigert …
Da muss ich sofort mal einhaken, denn das ist ein Vorurteil, das so nicht stimmt. Das muss man differenzierter betrachten. Es wird nicht pauschal verurteilt, sondern bei jeder neuen Möglichkeit geschaut, was legitim ist und womit sich der Mensch auf lange Sicht selbst bedroht – weil er unfrei wird, wenn er sich immer nur am technisch Möglichen orientiert und so ständig unter Optimierungsdruck steht. Grundsätzlich erheben weder die kirchliche Lehre noch die Moraltheologie Einwände gegen Techniken, die zum Wohle des Kindes genutzt werden, wie das beispielsweise in der Pränataldiagnostik häufig geschieht. Abgelehnt werden vor allem Verfahren, die mit der Selektion und selektiven Vernichtung menschlichen Lebens verbunden sind – wie zum Beispiel die Präimplantationsdiagnostik. Für Kirche und Moraltheologie hat jedes Leben einen Wert, deshalb muss auch jedes Leben geschützt werden. Und bei allen Techniken, die angewandt werden, muss es immer um das Wohl des Kindes gehen.
Was heißt das konkret für ein gläubiges Paar, das sich dringend ein gesundes Kind wünscht und auf natürlichem Wege keins bekommen kann?
Die Frage beinhaltet zwei Aspekte: zum einen den Wunsch nach einem Kind, zum anderen den Wunsch nach einem gesunden Kind. Ich kann mir schon vorstellen, dass so ein Paar gewisse Möglichkeiten der künstlichen Befruchtung nutzt – in der Moraltheologie sehen wir durchaus auch das Gute an dieser Technik. Beim Wunsch nach einem gesunden Kind wird es aber schon heikel. Natürlich kann ich das verstehen: Jeder wünscht sich ein gesundes Kind! Aber es stellen sich doch Fragen. Warum muss das Kind gesund sein: für die Eltern oder für das Kind selbst? Und was heißt eigentlich gesund? Anders gesagt: Wann wird aus einem legitimen Kinderwunsch ein problematischer Wunsch nach einem Wunschkind, wo gar nicht mehr das Kind im Vordergrund steht? Unmoralisch ist es meiner Meinung nach, die eigenen Wünsche auf das Kind zu projizieren, weil das die Würde des Kindes verletzt.
Laufen wir Gefahr, dass Leben nicht mehr als Geschenk, sondern als zu optimierendes Produkt betrachtet wird?
Ja, die Gefahr sehe ich tatsächlich. Das Problem ist: Es gibt keine präzisen Kriterien für eine Grenzziehung. Auch als Kirche oder Moraltheologie können wir das eine natürlich nicht eindeutig vom anderen unterscheiden. Wir können und müssen uns aber an diesem Diskurs beteiligen, und das ohne die moralische Keule zu schwingen. Im Grunde wäre schon viel gewonnen, wenn es gelingt, dieses Problembewusstsein zu wecken: Die Technik hat nicht immer Recht. Nur, weil etwas technisch machbar ist, muss es nicht legitim sein. Das hat mit der Würde des Kindes zu tun, aber auch mit unserer Gesellschaft und unserem Bild von Familie.
Inwiefern? Familienplanung ist doch eine sehr persönliche Angelegenheit?
Aber mit gesellschaftlichen Auswirkungen! Nehmen wir zum Beispiel das Social Egg Freezing. Das ist für mich ein klarer Fall der technischen Verfremdung biologischer Vorgänge. Technisch ist es heute ohne weiteres machbar, Schwangerschaft und Geburt im Lebenszyklus weit nach hinten zu verschieben. Aber was bedeutet das langfristig für das Verhältnis von Eltern und Kindern? Was macht das mit unserem Bild von Familie? Unternehmen wie Facebook, die ihren Mitarbeiterinnen diese Möglichkeit auf Firmenkosten eröffnen, geben damit im Grunde das Signal: „Für Familie ist später immer noch Zeit. Jetzt brauchen wir deine Produktivität, du musst Karriere machen. Kinder können warten.“ Aber welchen Wert haben Kinder denn, wenn sie nach diesem Schema geplant werden? Es ist Aufgabe der Kirche, auf solche Effekte hinzuweisen.
Was empfehlen sie Paaren mit unerfülltem Kinderwunsch bzw. Paaren, bei denen sich andeutet, dass ihr ungeborenes Kind nicht gesund sein könnte?
So etwas muss man sich natürlich immer im Einzelfall anschauen. Deswegen empfehle ich generell, Beratungsangebote zu nutzen. Bei den Ehe- Familien- Leben- uns Erziehungsberatungsstellen im Bistum Osnabrück gibt es Ansprechpartner, die helfen können, sich umfänglich zum Thema zu informieren, Positionen abzuwägen, Gedanken zu ordnen und eine individuelle Lösung zu finden.