Kirchen im Wandel
Vor allem in den Jahren der Nachkriegszeit ist die Zahl der Kirchenmitglieder deutlich angestiegen und es wurden neue Kirchen gebaut, um alle Gläubigen in den Gottesdiensten und Gemeindehäusern unterbringen zu können. Doch inzwischen hat sich die Lage gewandelt: Die Kirchenmitglieder werden weniger, das Geld wird knapper und die Ressourcen geringer; Energiepreise und Inflation tragen ihren Teil dazu bei, dass sich der Erhalt vieler Kirchräume nicht mehr lohnt.
Deshalb wird es auch im Bistum Osnabrück in den kommenden Jahren immer wieder (Teil-)Profanierungen von Kirchen geben. Was das genau bedeutet und welche positiven Seiten das haben kann, erklärt Sara Pohlmann, Diözesan- und Dombaumeisterin im Bistum Osnabrück.
Beispiele für Kirchen-Umnutzung im Bistum Osnabrück
- Es gibt verschiedene Umgestaltungen zu Kolumbariumskirchen, wie z.B. in der Kirche Heilige Familie in Osnabrück oder in der Josefkirche in Belm.
- In Bremen wurde in der Herz-Jesu-Kirche ein Caritas-Stadtteilzentrum errichtet, an das eine Altenpflegeeinrichtung, ein Gemeinschaftsgarten und eine Wohngemeinschaft für junge Studierende angeschlossen sind.
- In Dissen steht heute nur noch der Turm der St. Ansgar Kapelle. Der übrige Gebäudeteil wurde abgerissen und auf dem Gelände befinden sich heute ein Kirchencafé, ein Gemeindezentrum und ein Teil der Kindertagesstätte der Gemeinde.
Wird ein Kirchbau geweiht, wird er dazu bestimmt, Raum für den Gottesdienst oder das persönliche Gebet zu sein. Eine Kirche wird so einem ganz konkreten Zweck gewidmet. Wenn eine Kirche diesem Zweck nicht mehr dient, kann ihre Zweckbestimmung durch den Bischof aufgehoben und das Gebäude einem anderen Zweck übergeben werden. Diesen Vorgang nennt man Profanierung (profan = nicht heilig). Das kann zu einer anderen kirchlichen Bestimmung führen, aber auch zu einer Abgabe an einen rein weltlichen Zweck; als letzte Option kann auch der Abriss des Gebäudes in Frage kommen. „Die Form der Nachnutzung muss in jedem Fall dem Charakter des Gebäudes entsprechen, deswegen ist auch nach einer Profanierung nicht jede andere Nutzung eines ehemaligen Kirchengebäudes erlaubt“, erläutert Sara Pohlmann.
Bei Teilprofanierungen bleibt ein Teil des Gebäudes der sakrale Kirchraum, in dem Gottesdienste gefeiert werden können, und ein anderer Teil dient einem weiteren kirchlichen Zweck (zum Bespiel beim Umbau zu einem Pfarrheim oder Kolumbarium). Ein solcher Umbau verhindert, dass das Gebäude abgerissen werden muss und gibt ihm statt dessen die Chance zu einem zweiten Leben. Im Bistum Osnabrück gibt es einige positive Beispiele für Umnutzungen und auch (Teil-)Profanierungen.
Weitere Beispiele für Kirchen-Umnutzungen in Deutschland
- Eine ehemalige Kirche in Bielefeld ist inzwischen ein Restaurant: das „Glück und Seligkeit“.
- Die St. Elisabeth Kirche in Münster wird heute als Schul-Turnhalle genutzt. Mehr Infos dazu finden sie hier.
- In einer ehemaligen Kirche in Gelsenkirchen kann heute geklettert werden.
Generell sei es ein langer Weg bis zu Profanierung einer Kirche, denn so einen Schritt gehen die Kirchengemeinden nicht unbedacht an. Sie werden dabei durch Bau- und Finanzexpert*innen sowie von Fachleuten und Seelsorgenden begleitet. In den Kirchengemeinden wissen die Gremien und Mitglieder meist schon lange vorher, wie groß der Bedarf einer Veränderung ist. Gleichzeitig gibt es eine große Verbundenheit, ein Zugehörigkeitsgefühl rund um den Kirchraum. Außerdem steht oft die Frage im Raum, wie kirchliches Leben sich mittel- und langfristig entwickeln wird und daran anknüpfend die Frage nach den Gebäudeprozessen. Daher sind diese Bewusstseinsfragen auch von hoher Bedeutung: „Was identifizieren Menschen in vielleicht 20 bis 30 Jahren, wenn sie in Kirchengebäude sehen? Denken sie dann noch an eine religiöse Nutzung?“, fragt Sara Pohlmann. Die Auseinandersetzung mit diesem Thema ist also keine leichte Aufgabe, aber sie der Realität geschuldet und Gemeinden und Gremien kommen nicht daran vorbei.
Weitere Infos
- Detaillierte Informationen zum Gebäudeprozess im Bistum Osnabrück finden Sie hier.
- Falls Sie mehr über die Umnutzung von Kirchen sowie deren Beurteilungskriterien und Entscheidungshilfen erfahren wollen, gibt es hier eine Arbeitshilfe (Nr. 175) der Deutschen Bischofskonferenz zum Herunterladen.
- Weitere Beispiele finden für besondere Kirchenraumkonzepte finden Sie im Buch „Kirchen im Umbau – Neue Nutzungen kirchlicher Räume im Bistum Osnabrück„.
Bevor eine Kirche tatsächlich umgenutzt oder profaniert wird, müssen mehrere Aspekte betrachtet werden – wie beispielsweise die Frage nach der Denkmalpflege und der zukünftigen Gestaltung des Gemeindelebens vor Ort. Fragen wie: Wo gehen dann die Gläubigen zum Gottesdienst? Was ist die Motivation des Umbaus? Steht die Kirche in ihrem Zustand unter Denkmalschutz und welche Denkmaleigenschaften müssen geschützt werden?
Doch die strukturelle Auseinandersetzung mit diesen Gebäudeprozessen ist nur ein Anfang des Abschiedsprozesses, den die Gemeinde durchläuft – dieser kann schnell mal zwei bis drei Jahre dauern, erklärt Sara Pohlmann.
Ein Abriss sollte, so Sara Pohlmann, immer der letzte Schritt eines Gebäudeprozesses sein. Trotzdem gibt es aktuelle Beispiele – wie in der Herz-Jesu-Kirche in Wissingen – die zeigen, dass auf das endgültige Ende einer Kirche etwas Positives folgen kann: Die politische Gemeinde wird nach dem Abriss der Kirche einen Grundschulneubau auf dem Grundstück errichten. Die Kirche ist in keinem guten energetischen Zustand und gleichzeitig ist sie stark renovierungsbedürftig. Kein Einzelfall – der Zustand der alten Gemäuer macht es sowohl den Kommunen als auch anderen Kaufinteressierten schwer, eine Umnutzung zu planen. Die Entscheidung in Wissingen, letztlich dem Abriss zuzustimmen und zuzulassen, dass in Zukunft nicht mehr nur 60 bis 100 Personen in der Woche das Grundstück betreten, sondern mehrere hundert Kinder täglich, steht natürlich der emotionalen Heimat nicht gegenüber, ist aber ein Sachverhalt, der nüchtern betrachtet sinnvoll ist. Damit die katholischen Gemeindemitglieder in Wissingen auch in Zukunft Gottesdienst in ihrer Gemeinde feiern können, öffnet die evangelische Kirche ihren Kirchenraum für die katholische Nutzung – ein Vorzeigeprojekt für ökumenische Zusammenarbeit.
Durch andere Formen von Kirchenmitgliedschaften und andere Steuermodelle sind Gemeinden in anderen Ländern, wie beispielsweise den Niederlanden, schon einige Schritte weiter. So ist die ehemalige Dominikanerkirche in Maastricht ein außergewöhnliches Beispiel für eine Umfunktionierung einer Kirche zu einer Buchhandlung mit Café. Hier finden auch Konzerte, Lesungen und andere Veranstaltung im Charme des alten Kirchenraums statt.