Macht, mal anders

Krippe
Bild: AdobeStock.com, Carlos Bernal

Und Gott macht sich klein und wird Mensch. Und in diesem kleinen machtlosen Anfang war Gott dieser Mensch und dieser Mensch war Gott. Und dieses Licht leuchtete durch die Finsternis hindurch und die Finsternis konnte es nicht erfassen. Dieses Licht, das alles erleuchtet, kam in die Welt. Ein Geheimnis, das zunächst gar nicht so aussah, wie es da lag: Es war mächtig.

Das Verhältnis der katholischen Kirche zu „Macht“ erscheint mir so absurd widersprüchlich. Sie predigt Machtlosigkeit als erstrebenswert und reißt gleichzeitig gern die Macht an sich.

Dabei: Die biblische Erzählung von Gottes befreiender Macht – sie kehrt die herrschenden Machtverhältnisse um, sie stellt die Verliererinnen auf die Gewinnerseite, sie verschafft der Gerechtigkeit Platz, sie macht die unperfekten Versager zu Heldinnen, sie begegnet Gewalt mit kompromissloser Friedfertigkeit, über die man rational betrachtet nur spotten könnte, sie macht Unmögliches mit einem Wink möglich (beziehungsweise beherrscht damit Meere) – diese verrückte Perspektive, über die sich Visionäre vor über 2000 Jahren Gedanken gemacht haben, die bietet eine Steilvorlage für Frieden und Liebe und Gerechtigkeit, die es ernst meint, verdammt ernst.

Wenn das mal nicht feministisch ist: Gerechtigkeit, Liebe, Machtumkehrung. Mich begeistert das voll.

Und dann kam die Kirche.

Diese Steilvorlage der alles umkehrenden Macht also, die nutzt sie einfach nicht. Stattdessen gestalten wir immer noch Mitten und sind immer noch sprachlos darüber, wenn Bischöfe immer noch „erschüttert“ sind über die Ergebnisse der Studien über sexualisierte Gewalt in der Kirche. Lernen nicht dazu. Gründen sicherheitshalber noch einen Ausschuss aus einem Gremium.

Wir nutzen diese Perspektive auf Macht nicht.

Viel schlimmer noch, oft wird das Bild aufrecht erhalten von Jesus, der ohnmächtig und klein in der Krippe liegt (und sich später hingibt für die Menschen). Die wirkliche Hingabe, die wirkliche Liebe, das wirkliche Dienen. Gott macht sich klein, indem er Mensch wird.

Diese Erzählweise höre ich immer wieder, gern um Weihnachten oder Ostern herum. Sie macht mich wahnsinnig.

Ich will nicht falsch verstanden werden: Für andere Da-Sein soll eine unserer Grundaufgaben bleiben. Eine demütige Haltung gegenüber allem Leben halte ich für essenziell. Das Geheimnis, dass Gott sich in Jesus ganz hin-einbe-gibt in die Menschenwelt, das finde ich, um bei diesem Wortspiel zu bleiben, ganz großartig.

Vermutlich ist das wirklich die Macht eines Kindes: Staunen, Wunder, Liebe – komprimiert auf dieses Wesen. Und dann ist das Gott. Das Wort wird Mensch. Unmögliches wird, wunderbar, real.

Über die Autorin

Katie Westphal ist Pastoralassistentin. Sie schreibt Texte über Lebens- und Alltagsfragen und ist immer auf der Suche nach der richtigen Hintergrundmusik. Außerdem erzählt sie gern davon, wie es ist, Christin und Feministin zu sein: Eine gute Kombination, wie sie findet.

Aus meiner Sicht hat aber ein gesundes Sich-für-andere-einsetzen nichts damit zu tun, sich selbst klein zu machen. Demut setze ich nicht gleich mit Selbstaufgabe. Dienen wollen darf nicht bedeuten, Selbstachtung mit Egoismus zu verwechseln. Nach dem Beispiel Jesu zu leben kann nicht heißen, Macht und Selbstständigkeit abzugeben.

Hoffnung muss mächtig und widerständig sein und stark, sonst überlebt sie am Ende nicht.

Ich kann der Kirche diese Botschaft ganz oft einfach nicht abkaufen. So sehr sie diese Ohnmacht predigt, so sehr reißen die Entscheidungsträger ja immer wieder die Macht an sich. Sie meinen, sie könnten sich die Macht nehmen über Lebensentscheidungen, spirituelle Erfahrungen und das Glück der Menschen.

Ich würde gern mal in einen vatikanischen (oder priesterlichen) Kopf reinschauen, um die Fragen zu beantworten:

Stellst du dir so wirklich die Befreiung nach Gottes Plan vor? Glaubst du wirklich, dass du das Recht, die Macht und die Ahnung gepachtet hast, die die Erde braucht, um erlöst zu werden und Frieden zu finden?

Nur weil er klein ist in diesem Stall, ist er nicht machtlos. Im Gegenteil. Indem er es anders macht, bricht er die Normen. Er will nicht singen für die Mächtigen, die voll Hochmut sind, so stürzt er sie vom Thron. Leise, mit Liebe. So groß.

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