Pilgern als Thema und Erfahrung im System Schule
Pilgern. Seit vielen Jahren ist es beliebt, im Urlaub oder auch einfach im Alltag, für mehrere Tage oder lediglich als kurze Auszeit, allein oder in einer Gruppe zu pilgern. Was ist daran so faszinierend, sodass sich viele Menschen immer wieder auf den Weg machen? Natalie Giesen, Leiterin der Hochschulgemeinde in Osnabrück, beschreibt, warum sie das Pilgern so wertvoll findet.
Natalie Giesen: „Ich mag es, wenn ich jeden Tag auf dem Pilgerweg entscheiden kann, ob ich allein unterwegs sein möchte oder mich anderen anschließe. Ohne Druck. So ist es zum Beispiel auf dem Jakobsweg. Wenn man möchte, kann man immer eine Gruppe finden, über Gott und die Welt reden. Und trotzdem: Es gibt genügend Zeit, bei sich zu sein, den Abstand vom Alltag und von anderen zu haben, der mir guttut und den ich brauche. Ich lerne andere Menschen, andere Kulturen und Sichtweisen kennen, teile Wegabschnitte mit ihnen, höre zu, erzähle. Was auf dem Pilgerweg erzählt wird, bleibt auch dort. Das ist ein ungeschriebenes Gesetz.
Neben den Begegnungen setzt auch das Gehen selbst neue Gedankengänge frei. Und manchmal auch alte, längst vergessene. Mein Geist hat viel Zeit, Situationen und Vergangenes zu verarbeiten. Vielleicht liegt da auch noch etwas, das nicht abgeschlossen ist? Vielleicht finde ich dazu nun die Kraft? Ich glaube, das macht das Pilgern für viele so attraktiv: Beim Pilgern kann ich meine Spur wiederfinden, komme ich zu mir, und manchmal auch näher zu Gott.“
Welche Erfahrungen mache ich beim Pilgern, die ich ansonsten so nicht gemacht hätte?
Natalie Giesen: „Pilgern, das heißt für mich auch: sich wirklich auf das Wesentliche konzentrieren. Das fängt schon beim Packen ein. Jedes Kilogramm zählt! Schließlich trage ich mein Gepäck die ganze Zeit mit mir herum. Eine Gratwanderung zwischen: für alle (Notfall-) Situationen gerüstet sein und ein akzeptables Gewicht zur Rücken- und Kräfteschonung haben. Ich lerne, das Einfache wertzuschätzen und merke, dass ich im Alltag vieles einfach als selbstverständlich annehme: Wasser, eine warme Dusche, eine trockene Unterkunft. Ich muss auswählen und lernen, mit dem auszukommen, was ich mitgebracht habe. Das führt auch dazu, dass ich auf meinem Weg mit anderen Essen und Material teile, Tipps und Tricks austausche. Nicht selten kommt es nach dem Teilen von Obst, Brot und Blasenpflastern zu tieferen Gesprächen: Warum hast du dich auf diesen Weg gemacht? Warum hier, warum jetzt? Betest du? Wie stellst du dir Gott vor? Kommst du Gott näher auf dieser Reise? Gespräche, die im Alltag schwieriger sind, die untergehen, haben hier ihren Platz und ihre Zeit. Und es spielt keine Rolle, ob ich Studentin bin, Krankenpfleger, Lehrerin oder Busfahrer. Pilgern hat etwas sehr Egalitäres. Alle gehen diesen einen Weg, der an manchen Stellen atemberaubend schön und bisweilen auch sehr anstrengend ist. Nur die Ausstattung und Hilfsmittelchen unterscheiden uns Pilgernde manchmal voneinander. Aber auch die helfen nicht immer weiter.“
Haben Sie auch Lust das Thema Pilgern und Schule mehr in den Fokus zu rücken?
Die Schulabteilung bietet am 27. September 2023 einen Fortbildungstag rund um das Thema „Pilgern mit Schüler*innen“ in Haus Ohrbeck für Religionslehrkräfte, Schulseelsorger*innen und weitere Interessierte an. An dem Tag werden wir das Pilgern ausprobieren, aber auch besprechen und erarbeiten wie das Thema an der Schule geplant und umgesetzt werden könnte. Wir werden zudem verschiedene Pilgerwege kennen lernen.
Anmeldungen und weitere Informationen sind unter https://bistum-osnabrueck.de/bildungstermine/die-seele-geht-zu-fuss-pilgern-mit-schuelerinnen-und-schuelern/ zu finden. Bei Fragen melden Sie sich gern bei Elisabeth Lis, Referentin für Schulpastoral (e.lis@bistum-os.de).
