Selig, die im Regen stehen

Frau im Regenmantel macht Freudensprung
Bild: AdobeStock.com, pusteflower9024

Ich sitze mit Besuch im Café mit Aussicht auf das Meer auf Juist. Draußen regnet es in Strömen und es ist ziemlich stürmisch, nicht besonders toll, aber es ist eben Nordsee und nicht Mittelmeer. Zwei ältere Damen am Nebentisch, die eine meint: „Das habe ich ja so noch nie erlebt auf Juist, irgendwie war es doch immer tolles Wetter Anfang Juni und besonders letztes Jahr, eigentlich nur Sonne!“

Eine halbe Stunde später höre ich eine Mutter mit drei Kindern sagen: „Was sind wir froh, hier zu sein! Mit dem Wetter heute, naja, das ist halt so, wir haben alles mit, was man bei Regen zum Anziehen braucht. Je stürmischer umso besser!“ Erwartungen, Vorstellungen und Reaktionen – so sehr unterschiedlich! Und wie sehr werden sie sich auf die Stimmung und auf die Einstellungen zum Lebensmoment auswirken.

Über die Autorin

Sr. Michaela Wachendorfer ist Exerzitienbegleiterin und lebt seit mehr als 14 Jahren auf der Insel Juist. Dort bietet sie u.a. Auszeiten an und versucht, Kirche als Gottesort lebendig und ansprechend zu gestalten. Im Bistumsblog gibt sie spirituelle Impulse, erzählt vom Leben und Arbeiten auf der Insel und von Begegnungen mit ständig wechselnden Menschen, die hier spontan Gemeinde bilden.

Wie bin ich eigentlich, wenn etwas so ganz anders verläuft, als ich es erwartet oder mir in einer großartigen Fantasie ausgemalt habe? Wie aufgeladen ist doch so manches Mal eine bestimmte Zeit (z.B. der Urlaub oder das Treffen mit einem wichtigen, geliebten Menschen) – und dann kommt es anders. Man kann sich nur bedingt absichern durch beste Planung, vorauseilendes Sorgen, gute Recherche, vorweggenommenes Einkalkulieren. Irgendwie bleibt auch im ganz normalen Leben – von den großen Krisen mal ganz angesehen – ein Restrisiko, das alles anders kommt. Eigentlich in jedem Augenblick, bei jedem Atemzug. Da kann man schöne Überraschungen erleben, aber eben auch böse und bedrückende. Manchmal ist es eine Frage der Einstellung und der Offenheit für das unerwartet Schwierige, ob es dann eine Herausforderung wird, der man gut begegnen kann oder ob es einen in eine Krise führt oder einfach nur zu schlechter Laune.

Abends in der Vesper habe ich dann aus dem Tagesevangelium die Seligpreisungen vorgelesen – das hat wunderbar gepasst zu diesem Thema: etwas Dunkles, Düsteres wird anders und wendet sich unerwartet in Licht und Leichtigkeit. Da könnte Jesus vielleicht an dem Tag noch gesagt haben: „Selig, die im Regen stehen (und nicht nur im schlechten Wetter), denn für sie wird die Sonne scheinen.“

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