Sind wir mehr als Thermosflaschen?

Beim Aufräumen habe ich ein interessantes Zitat gefunden: „Schafft doch … neu lebendig machende Gemeinden … Die Frage ist dann: Gelingt das in einem genügenden Maß oder schafft man damit nur kleine Ghettoinseln, die zwar viel Nestwärme produzieren, die übrige Welt aber im Grunde gar nicht erwärmen, wie Thermosflaschen, die nach innen warm halten und außen kalt lassen …“
Oooooppsss – ein herausforderndes Bild: Erwärmen unsere Gemeinden noch die Welt – oder sind wir schon längst zu „Thermosflaschen“ geworden, deren einziger Zweck nur darin besteht, irgendwelche Inhalte, Riten, Traditionen warm zu halten?
Stattdessen: „Schafft lebendig machende Gemeinden“ – das könnte spannend sein! Was es dafür braucht? Mir fallen als erstes Menschen ein, Menschen, die da sind, einfach da sind. Sie leben aus ihrem Glauben – so bruchstückhaft, zweifelnd, anfanghaft er auch immer sein mag. Sie geben das weiter, was sie bekommen haben und behalten es nicht wie eine Thermoskanne nur für sich. Das müssen keine Theologen oder pastorale Mitarbeiterinnen sein – das sind einfach die anderen, die genau wie ich versuchen, ihr Leben halbwegs gut hin zu kriegen. Und die trifft man dann auch gar nicht unbedingt in der Kirche oder im Pfarrheim, sondern vielleicht an der Käsetheke im Einkaufsmarkt. Da feiert man Gottesdienst dort, wo die Menschen sind, und nicht nach einem ausgeklügelten Gottesdienstplan, damit auch ja alle „Kirchorte“ gleichermaßen berücksichtigt sind.
Über die Autorin
Andrea Schwarz ist Schriftstellerin, war lange Jahre pastorale Mitarbeiterin im Bistum Osnabrück und lebt im Emsland. Sie ist eine genaue und sensible Beobachterin ihrer Umwelt und der Menschen, denen sie begegnet. In ihren Texten versucht sie, Gott mitten im Alltag zu entdecken und Lust aufs Leben zu machen – nun erstmals auch in Form von Blogbeiträgen!
In einer lebendig machenden Gemeinde hat man den einzelnen Menschen im Blick – und will nicht erst seine Taufbescheinigung sehen. Da muss man vielleicht gar nicht so viel machen, sondern nimmt den anderen einfach wahr, fragt interessiert nach, hört ein paar Minuten zu, ist beim anderen – zum Beispiel mit einem spontanen Anruf bei Jutta, deren Vater im Krankenhaus liegt, und der Zusage: „Ich bete für euch!“
Menschen, die so aus ihrem Glauben leben, strahlen Nähe, Zuwendung, Hoffnung, Akzeptanz, Verständnis aus – und halten nicht nur etwas warm.
Ich finde dieses Bild von der Thermoskanne jedenfalls sehr aussagekräftig.
Ach so – Sie wollen noch wissen, von wem das Zitat ist? Von Karl Rahner, dem großen Theologen, aus einem Interview im Jahr 1984*. Ich bin mir aber nicht so ganz sicher, ob seine Gedanken wirklich schon bei uns angekommen sind …
*Quelle: Die „winterliche“ Kirche und die Chancen des Christentums – ein Gespräch mit Karl Rahner, Herderkorrespondenz 38/1984