Freut euch, ihr Christen!
Nur noch ein paar Mal schlafen, dann ist Weihnachten! Wie war das noch als Kind? Als man die Tage rückwärts zählte, kaum mehr schlafen konnte vor Aufregung? Und sich die Stunden, bis das Glöckchen zur Bescherung rief, sich wie Monate anfühlten?
Erwachsene verbinden mit Weihnachten eine ganze Menge Stress. Kinder richten ihre Aufmerksamkeit auf Geschenke, auf die Spannung – für die Eltern ist Weihnachten oft eine Pflichtübung. Schade eigentlich.
„Freuet euch sehr – schon ist nahe der Herr“, lautet eine Zeile im Adventslied „Wir sagen euch an den lieben Advent“. Wir sollen uns freuen: weil Gott vor 2000 Jahren Mensch geworden ist. „Auf dass diese Geburt auch in uns Menschen geschieht“, hat der mittelalterliche Mystiker Meister Eckhardt die Weihnachtsbotschaft auf den Punkt gebracht. Kritisch fragte er jedoch auch weiter: „Wenn sie aber nicht in mir geschieht, was hilft sie mir dann? Gerade, dass sie auch in mir geschehe, darin liegt ja alles.“
Einfach mal genießen
Freuen sollen wir uns also darauf, dass Gott in uns Mensch wird. Und das feiern wir – mit der Familie, mit allen Sinnen. Mit Plätzchen und Lebkuchen, mit Weihnachtsgans oder Würstchen und Kartoffelsalat. Auch darauf dürfen, ja, sollen wir uns freuen! Genauso wie auf „Oh du fröhliche“ vor dem und Überraschungen unterm Tannenbaum. Und auf Glitzer, Glimmer, Lichterglanz im Winterdunkel. Warum aber vergeht vielen schon die Freude, bevor der Christbaum überhaupt im Wohnzimmer steht?
Klar, weihnachtliches Gedudel quält nicht nur Radiomoderatoren und Glühweinverkäufer. Lebkuchen stehen seit August in den Regalen und Überraschungen halten sich wohl in Grenzen, seit die eigenen Wunschzettel nicht mehr beim Christkind landen. Haben Erwachsene die Fähigkeit zur Vorfreude verloren?
Jedes Jahr wieder predigen Pfarrer und Kulturkritiker gegen Konsum und Kommerz und für eine Zeit des Wartens und der Vorfreude. Doch wie soll man sich auf etwas freuen, das man längst täglich vor der Nase hat? Das wäre so, als ob man einen Roman vom Ende her lesen würde, als wenn man die Weihnachtsgeschenke schon vor Heilig Abend auspacken würde. Was also tun? Keine Plätzchen vor den Feiertagen? Weihnachtsmärkte und Lichterketten boykottieren? Zugegeben, das wäre eine Herausforderung.
Es lohnt sich!
„Belohnungsaufschub“ nennen Psychologen die Fähigkeit, auf etwas Schönes warten zu können. Walter Mischel erforschte das Phänomen in den 60er Jahren an der Universität Stanford. Er legte Kindern eine Packung Bonbons hin und sagte, dass sie sich eins sofort nehmen dürften. Gleichzeitig versprach er ihnen zwei Bonbons, wenn sie warten würden. Einige griffen sofort zu. Die anderen warteten auf die größere Belohnung. Allerdings lenkten sich einige von ihnen ab oder machten die Augen zu, um nicht verführt zu werden. Als Mischel die Kinder 14 Jahre später noch einmal untersuchte, stellte er fest, dass sich die, die damals warten konnten, nun selbstbestimmter verhielten.
Was nun Ursache und was Wirkung war, sei dahingestellt. Warteten die Kinder auf die größere Belohnung, weil sie sowieso selbstbestimmter waren? Oder wurden sie selbstbestimmter, weil sie erlebt hatten, dass sich Warten lohnt? Sicher ist: wer wartet, wird oft belohnt. Krimis, Musik und auch Erotik spielen mit Spannung, reizen, um dann in einem fulminanten Höhepunkt zu enden. Jedoch: Warten muss man können, es erfordert Selbstbeherrschung. Dafür lohnt es, sich konkrete und realistische Ziele zu setzen. Hinzu kommt ein gutes Zeitmanagement – auch wenn das vielleicht unromantisch klingt. Aber Weihnachten fällt ja in die sowieso schon stressige Zeit von Jahresabschluss et cetera. Deshalb sollte man seine Zeit bewusst planen.
Ob warten oder planen – wichtig für die Vorfreude ist vor allem, dass man sich selbst (er)kennt. Und das wusste auch schon der Mystiker Eckhart: „Nim din selbes war“ fordert er in seinen Predigten weiter – also „Nimm dich selbst wahr, besinne dich“. Denn nur so könne die Geburt Jesu in einem selbst geschehen.