Weil in der Herberge kein Platz für sie war …

Schild Pilger-Herberge
Bild: Ronald Gottschalk

„Completo“ – „Full“ – „Belegt“ – wenn man am Ende einer oft langen und mühsamen Etappe auf dem camino, dem alten Pilgerweg nach Santiago de Compostela, ein solches Schild an der Tür einer Herberge sieht, dann weiß man: Jetzt ist Improvisieren angesagt! Vielleicht findet sich irgendwo in einer Sporthalle noch ein Plätzchen, wo man seinen Schlafsack ausbreiten kann, möglicherweise muss man aber auch bis zum nächsten Ort weitergehen – obwohl man schon müde und am Ende seiner Kraft ist.

Josef und Maria ging es vor gut zweitausend Jahren genauso. Die Wanderung von mehreren Tagen war wohl für die hochschwangere, junge Frau besonders beschwerlich gewesen, sie wird sich nach Ruhe und einem sicheren Obdach gesehnt haben. Aber auch hier: die Herberge ist belegt, alles voll! Und so müssen die beiden weiterziehen, so dass schließlich das Kind in einem Stall geboren wird.

Weil in der Herberge kein Platz ist … auch an meine und an unsere Türen klopfen Menschen an. Manche haben eine lebensgefährliche Fahrt über das Meer hinter sich, andere kommen aus Kriegsgebieten, den Schrecken und die Angst noch in ihren Augen. Andere sind erschöpft vom Weg ihres Lebens und den vielen kleinen und großen Widrigkeiten des Alltags. Und diejenigen, die seelisch wund und verletzt sind, haben oft nicht einmal mehr die Kraft zum Klopfen, sondern stehen einfach vor der Tür und hoffen darauf, dass jemand sie sieht.

Und wenn dann vor unseren Herzen das Schild „Alles belegt!“ steht, weil wir keine Zeit haben, nicht teilen und zusammenrücken wollen, uns anderes wichtiger ist, … dann werden diese Menschen irgendwann irgendwie weitergehen.

Über die Autorin

Andrea Schwarz ist Schriftstellerin, war lange Jahre pastorale Mitarbeiterin im Bistum Osnabrück und lebt im Emsland. Sie ist eine genaue und sensible Beobachterin ihrer Umwelt und der Menschen, denen sie begegnet. In ihren Texten versucht sie, Gott mitten im Alltag zu entdecken und Lust aufs Leben zu machen – nun erstmals auch in Form von Blogbeiträgen!

Aber dann wird auch Jesus woanders zur Welt kommen – und nicht in mir.

Möge Weihnachten ein Fest der offenen Herzenstüren werden, damit der Himmel zur Welt kommen kann – und mögen diese Türen auch im Neuen Jahr geöffnet bleiben. Gesegnetes Fest und viel Gutes für 2025!

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