Nicht nur den Flüchtling sehen, sondern den Menschen
Maya arbeitet in einem Wohnheim der Caritas in Bremen. Dort leben Frauen, die durch ihre Flucht traumatisiert wurden. Die 21-Jährige, die selbst aus Syrien flüchtete, leistet ein Freiwilliges Soziales Jahr. Anlässlich des Gedenktags für die Opfer von Flucht und Vertreibung (Weltflüchtlingstag) am 20. Juni erzählt sie im Interview über ihre Arbeit, was sie nach dem FSJ machen möchte und was sie sich von den Menschen wünscht, die diesen Text lesen.
Wie sieht Ihr Freiwilligendienst aus?
Ich mache ein Freiwilliges Soziales Jahr in einem Übergangswohnheim für traumatisierte geflüchtete Frauen. Dort habe ich ganz viel Kontakt mit den Frauen, betreue die Kinder, begleite die Frauen zu Terminen und übersetze bei Sprachproblemen.
Warum leisten Sie diesen Freiwilligendienst?
Am Anfang wollte ich gerne einen Einblick in den sozialen Bereich bekommen. Ich habe vorher bei der Caritas in der Erziehungshilfe gearbeitet und da habe ich mich im sozialen Bereich sehr wohlgefühlt. Da dachte ich, ich mache einen Freiwilligendienst. Die Stelle hier im Wohnheim für traumatisierte geflüchtete Frauen fand ich dann sehr interessant.
Was sind die größten Hürden in Deutschland für die Frauen, die Sie betreuen?
Die deutsche Sprache ist am Anfang sehr schwierig und auch mit der Bürokratie klarzukommen, ist schwierig. Aber dafür sind ja wir da, wir unterstützen, wo wir können.
Weitere Infos
Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Caritasverbände unterstützen geflüchtete Menschen im sprachlichen, schulischen, beruflichen und sozialen Bereich. So gibt es den Migrationsfond der Caritas, der beim Familiennachzug hilft. Es gibt aber auch zahlreiche Hilfen zur Integration, wie den BaFög-Fonds für Asylsuchende, die Bildungsberater für Zuwandernde oder die Flüchtlingssozialarbeit. All diese Dienste begleiten geflüchtete Menschen vor, während und nach den Integrationsmaßnahmen, geben Hilfestellung bei Konfliktbewältigung in der Familie oder im sozialen Umfeld.
- Zur Migrationsarbeit der Caritas Bremen
- Zur Migrationsarbeit der Caritas im Bistum Osnabrück
- Die Deutsche Bischofskonferenz hat hier Zahlen und Fakten zu den Hilfen der katholischen Kirche für Flüchtlinge in Deutschland zusammengestellt.
Können Sie den Frauen helfen, mit ihrem Trauma umzugehen?
Auf jeden Fall. Unser Wohnheim ist ja darauf spezialisiert. Das wichtigste hier ist, dass wir den Frauen Sicherheit vermitteln. Wenn ich sie beispielswiese zu Terminen begleite, haben sie die Sicherheit, dass ich dabei bin und dass ich da sein kann, wenn sie mich brauchen. Unser Ziel ist es, Hilfe zur Selbsthilfe zu leisten. Das wir den Frauen zeigen, wie sie sich selbst helfen können, vor allem im alltäglichen Leben und auch, wie sie im Alltag mit ihrem Trauma umgehen können.
Wie lange sind die Frauen im Wohnheim?
Das kommt darauf an. Es gibt Frauen, die ein Jahr bleiben, zwei Jahre, manche sind aber auch schon seit vier Jahren hier. Nach der Zeit im Wohnheim ziehen sie dann in eine eigene Wohnung – wenn es gut läuft.
Müssen die Frauen trotz ihres Traumas Angst haben, abgeschoben zu werden?
Der Druck der Abschiebung ist immer da, da ist keine Sicherheit. Wir versuchen den Druck zu lindern und zu helfen: Wir sind mit vielen Rechtsanwaltskanzleien verbunden und helfen den Frauen, durch ihr Asylverfahren zu kommen.
Sie haben selbst die Erfahrung von Flucht gemacht, kamen 2013 aus Syrien nach Deutschland. Hilft das beim Freiwilligendienst?
Auf jeden Fall. Das, was die Frauen durchgemacht haben, habe ich ja auch schon durchgemacht – obwohl ich meine Lage gar nicht mit der Lage der Frauen vergleichen kann. Auch beim Deutschlernen kann ich helfen: Ich spreche Kurdisch, Arabisch und Englisch und kann unterstützen und viele Tipps geben.
Und wie geht es bei Ihnen nach dem Freiwilligendienst weiter?
Ich werde Soziale Arbeit studieren und wünsche mir, dass ich nach meinem Studium wieder mit geflüchteten Menschen arbeiten darf. Ich würde ihnen gerne weiterhelfen und sie unterstützen. Als ich nach Deutschland kam, hatte ich diese Unterstützung und ich würde diese gerne weitergeben.
Haben Sie eine Bitte an die Leserinnen und Leser des Interviews?
Ich wünsche mir einfach, dass dieses Schubladendenken aufhört. Ich selbst hatte immer diesen Stempel: die geflüchtete Frau. Die Menschen sollen aufhören, immer nur „den Flüchtling“ zu sehen und nicht den ganzen Menschen dahinter. Deshalb wünsche ich mir auch, dass damit aufgehört wird, „Flüchtling“ zu sagen. Es sind geflüchtete Menschen. Wir alle sind Menschen und unterstützen uns gegenseitig – egal ob man geflüchtet ist oder nicht.