„Wenn wir uns als Kirche nicht politisch äußern, fehlt etwas“

Demonstration für Demokratie
Katharina Abeln (Mitte) mit Katholikenratsgeschäftsführer Hermann Steinkamp (links) und dem stellvertretenden Vorsitzenden Norbert Frische Bild: privat

Der Katholikenrat im Bistum Osnabrück – das ist die Vertretung der Mitglieder aus Pfarrgemeinderäten und katholischen Verbänden. Oft werden in dem Gremium Themen diskutiert, die über Religion und Glaube hinaus gehen: Wohnungskrise, Neuregelung des assistierten Suizids oder die Situation der Werkvertragsarbeiter in der Fleischindustrie. Im Interview erklärt Katharina Abeln, die Vorsitzende des Katholikenrates, warum sich das Gremium auch politisch engagiert und was es mit der Demokratie in der Kirche auf sich hat.

Ist der Katholikenrat im Bistum Osnabrück ein demokratisches Gremium?

Ja, der Katholikenrat ist in meinen Augen durch und durch ein demokratisches Gremium. Die Mitglieder, die sich aus den Pfarrgemeinden und Verbänden zusammensetzten, sind durch eine Wahl legitimiert. Sie beraten, koordinieren und beschließen Themen und Inhalte und repräsentieren und vertreten die Gemeinde- und Verbandsmitglieder im Bistum. Wir sind ein ausschließliches Laiengremium, deswegen haben auch Bischof und Geschäftsführung lediglich eine beratende Funktion und kein Stimmrecht.

Warum braucht die Kirche braucht eine Stimme in der Gesellschaft? Es gibt ja auch viele Menschen, die der Meinung sind, die Kirche solle sich bitte aus politischen Themen heraushalten …

Wenn wir uns als Kirche nicht auch gesellschaftspolitisch einmischen, fehlt uns eine wichtige Säule. Wir wollen und müssen doch gerade als Kirche für Grund- und Menschenrechte und unsere christlichen Werte einstehen. Dazu gehört auch, dass wir uns politisch einmischen und klar positionieren. Kirche darf und muss darüber hinaus auch ganz konkret Position beziehen und auch handeln, sonst wird sie unglaubwürdig. Als Katholikenrat beteiligen wir uns deswegen an der Aktion am 15. Februar auf dem Osnabrücker Domplatz: „Christlich sein, heißt politisch sein!“

In diesem Zusammenhang positionieren wir uns ebenfalls gegen Personen und Parteiangehörige, die sich antisemitisch, islamfeindlich, rassistisch oder menschenverachtend äußern. Diese Personen können im Katholikenrat kein Amt übernehmen. Ganz deutlich lehne ich demokratiefeindliche Aussagen der AfD und weiterer rechtsextremistischer Gruppierungen ab.

Weitere Infos

Der Katholikenrat im Bistum Osnabrück hat insgesamt 49 Mitglieder (25 Delegierte der Dekanatsarbeitsgemeinschaften der Pfarrgemeinderäte, 18 Delegierte der Katholischen Verbände, bis zu sechs weitere Persönlichkeiten des kirchlichen und öffentlichen Lebens). Dazu kommen der Geistliche Beirat und der Geschäftsführer. Den Katholikenrat finden Sie hier im Internet.

Wie hängt Spiritualität und Politik zusammen?

Spirituelle Menschen sind ja oftmals auch Menschen, die sich aus dieser Kraft heraus politisch einmischen. Da reicht gerade in diesen Tagen ein Blick in die Geschichte. Viele Widerstandskämpfer waren im Glauben tief verwurzelt.

In der Kirche spricht man heute oft von Synodalität, wenn es um Mitbestimmung geht. Was ist der Unterschied?

Mitbestimmung bedeutet für mich erst einmal, dass wir auf Augenhöhe in einen gemeinsamen Beratungs- und Entscheidungsprozess gehen. Alle Fragestellungen und Diskussionen sind eingebettet in ein gegenseitiges und wertschätzendes Hören und Mitteilen. Und wenn bei der Mitbestimmung dann auch noch eine gute Portion Heiliger Geist mitwirken darf, dann ist für mich Synodalität perfekt!

Katharina Abeln
Katharina Abeln, Vorsitzende des Katholikenrates

Und wo sehen Sie in der Kirche in Sachen Demokratie noch Luft nach oben?

Da ist sicher noch ein ganzes Wolkenfeld dazwischen … Und trotz alledem – durch den Synodalen Weg glaube ich, dass wir in Kirche ein gutes Stück weiter gekommen sind. Viele Handlungstexte aus dem Synodalen Weg bieten gute Hilfestellungen an. Das gemeinsame Beraten und Entscheiden braucht aber nach wie vor eine steile Lernkurve. Es gilt also in allen Bereichen, von Pfarrgemeinde bis Bistum, diese Haltung weiter einzuüben und zu stäken.

Hat sich durch den Synodalen Weg die Streitkultur in der Kirche verändert?

Ja, definitiv. Und ich sage es immer wieder sehr, sehr gerne: Man darf sich in Kirche auch mal streiten. Denn wenn ich nicht mehr für eine Sache streite, dann hat sie für mich doch längst den Wert verloren! Entscheidend ist für mich, dass es eine gute und wertschätzende Streitkultur ist. Ich streite also nach wie vor für und in Kirche!