Wie ein neues Leben
In Sachen Terminkalender bin ich gerne klassisch unterwegs. Ein Jahresplaner muss für mich wie ein Buch sein, in dem ich blättern und schreiben kann. Er ist Tag für Tag ein wertvoller Begleiter, allein schon, weil Papier kostbar ist. „Papier ist unser Ding.“ Dieser Claim stand auf dem Lieferwagen einer Buchbinderei, der vor mir an der Ampel stand. Wie schön, das könnte auch mein Motto sein.
Die Kalendersuche für 2025 gestaltet sich schwierig. Der Planer sollte nicht zu groß sein und nicht zu schwer, aber auch ausreichend Platz für Eintragungen vorsehen. Eine ansprechende Gestaltung wäre auch gut. Und am besten bietet er eine vertikale Tagesaufteilung und eine Woche pro Doppelseite. Kein Wunder, dass ich da lange suchen muss. Nach verschiedenen Anläufen findet sich schließlich ein passendes Exemplar.
Nun liegt der aufgeschlagene Kalender vor mir mit seiner vertikalen Tages- und horizontalen Wochenaufteilung. Viele Termine sind für das neue Jahr eingetragen, Tage bereits verplant. Andere Seiten leuchten mir noch hell und unverbraucht entgegen. Was mag in den Spalten in einigen Wochen und Monaten stehen? Welche Ereignisse, Verpflichtungen, Begegnungen werden den Kalender füllen? Einiges steht fest wie etwa berufliche Projekte und familiäre Aufgaben oder Geburtstage. Manches lässt sich erahnen oder in Prognosen lesen. Gleichzeitig sind die weißen Kalenderblätter nichts anderes als eine blackbox. Die zukünftige Zeit bleibt ein Geheimnis. Spoilern nicht möglich.
Ja, das neue Jahr macht es spannend und verrät nichts. Erst Tag für Tag, Woche für Woche wird es sein Geheimnis lüften. Eines ist klar: An die Formatierung eines Kalenders wird es sich nicht halten. Die Termine und die unzähligen To-do-Listen werden zwar die nach Stunden aufgeteilten Spalten füllen. Das Unverfügbare passt dagegen in keine Zeile. Die kommenden Ereignisse und die damit verbundenen Sorgen, Lasten, Hoffnungen und Freuden werden die vertikale Tages- und horizontale Wochenformatierung sprengen. Allen Planungen zum Trotz.
Über die Autorin
Daniela Engelhard ist Leiterin des Forums am Dom in Osnabrück. Bei der Arbeit in dieser Einrichtung der Citypastoral kommt sie mit vielen unterschiedlichen Menschen in Kontakt. Von Erlebnissen und Themen, die sie bewegen, berichtet sie in ihren Blogbeiträgen.
Wie dann dem Unbekannten begegnen? Wie auf das neue Jahr zugehen? Ich entscheide mich für eine mittelgroße Portion Hoffnung und Zuversicht. Und dabei hilft mir ein Wort von Edith Stein. Die von den Nationalsozialisten ermordete Jüdin und Ordensfrau hinterließ den kostbaren Rat, jeden neuen Tag wie ein neues Leben anzunehmen. Wenn ich abends oder morgens an diesen Rat denke, verwandelt sich das Zeitempfinden. Auf überraschende Weise lässt sich nicht nur Zeitknappheit, sondern auch Zeitfülle erleben. Edith Steins Wort nehme ich nun mit in den Jahreswechsel und wende es auf das neue Jahr an.
Die Zeit, die mir gegeben wird, ist wie das Geschenk neuen Lebens. Ich kann hoffentlich vieles neu sehen, neu entdecken im Kleinen und vielleicht auch im Großen, vieles neu ausprobieren, neu gestalten und neu anpacken. Was für ein Geschenk! Das verdient wirklich hochwertiges Papier und einen besonders gestalteten Einband für die Chronik eines neuen Jahres. Und gleichzeitig bedeutet es so viel Mehr.