Zeit für …

Karte Zeit für Forum am Dom
Bild: Forum am Dom

Unglaublich. Vor wenigen Monaten war der Domplatz in Osnabrück ganz von Stille erfüllt. Jetzt herrscht dort munteres Treiben. Viele genießen sichtlich den Sommer, die neue Freiheit und das Eis auf der Hand. Ist eine neue Zeit angebrochen oder eine Zwischenzeit?

„Zeit für …“ – unter diesem Motto will das Team des Forums am Dom Besucherinnen und Passanten Zeit schenken. Zeit zu einer kleinen Unterbrechung mitten am Tag. Karten und beschreibbare Aufkleber laden dazu ein, einen Moment innezuhalten. Zeit für …, ja wofür eigentlich? Wofür wünsche ich mir Zeit, brauche ich Zeit? Für mich? Für dich? Für anderes?

„Für meine Familie“, schreibt eine berufstätige Mutter auf einen Aufkleber und klebt ihn an ein Fenster des Forums. Sie ist mit Mann und Kindern unterwegs und freut sich, dass sie am Wochenende Zeit hat für einen Marktbesuch mit der ganzen Familie. „Für Gespräche mit Freunden, für Sand an den Füßen, für spontane Begegnungen, für Herzensgespräche“, lese ich auf weiteren Aufklebern. Herzensgespräche, was für ein schönes Wort! Es spricht mich sofort an. Ja, Gespräche von Herz zu Herz brauchen Zeit und Freiraum. Begegnungen, die mich berühren, bei denen ein Wort in mein Herz fällt, sind kostbar. Sie haben im Alltag oft kaum eine Chance. Und doch sind es manchmal die spontanen Gespräche, bei denen eine Geste, ein Blick oder ein Wort das eigene Innere berührt. So wie bei dem Gespräch mit einem Jakobspilger, der kurz bei uns Station macht. Mit leuchtenden Augen erzählt er von seinen Wegstrecken und strahlt spürbar Ruhe und Ausgeglichenheit aus. Zeit für das Pilgern hat er sich genommen. Wie wohltuend, dass er anderen, die keine Zeit dafür haben, seine Ruhe und Freundlichkeit schenkt.

Über die Autorin

Daniela Engelhard ist Leiterin des Forums am Dom in Osnabrück. Bei der Arbeit in dieser Einrichtung der Citypastoral kommt sie mit vielen unterschiedlichen Menschen in Kontakt. Von Erlebnissen und Themen, die sie bewegen, berichtet sie in ihren Blogbeiträgen.

„Meine Füße gingen lieber aus der Zeit.“ Mit diesem Büchner-Zitat beginnt die Schriftstellerin Carolin Emcke ihr „Tagebuch in Zeiten der Pandemie“. „Gehen meine Füße mit der rastlosen Zeit oder aus ihr heraus?“, fragt sie sich. „Wann habe ich das letzte Mal morgens erst Musik vor den Nachrichten gehört? Wann habe ich zuletzt das Langsame dem Schnellen vorgezogen?“ Mit ihren Aufzeichnungen denkt die Autorin über das eigentümliche Zeiterleben während der Pandemie nach. Ähnlich wie sie waren sicher viele irritiert. Für die einen stand die Zeit still, für andere ging es um einen Wettlauf mit der Zeit.

Jetzt ist vielleicht die Zeit, auf die erlebte Zeit zu schauen. So lädt die Sommeraktion „Zeit für …“ zu einer kleinen Auszeit ein. Sie regt an, Zeit zu schenken und sich schenken zu lassen. Es ist die Freiheit, für eine kurze Weile „aus der Zeit zu gehen“, die neue Zeit schenkt.

 

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