Zuhause auf Zeit für die Seeleute

Christine Freytag fotografiert die Gruppe der Seemänner, die zum Tag der Seeleute in den Club gekommen sind.
Christine Freytag fotografiert die Gruppe der Seemänner, die zum Tag der Seeleute zu Pier One in Brake gekommen sind. Bild: Bistum Osnabrück

In der Gemeinde von Christine Freytag herrscht ein ständiges Kommen und Gehen. Denn wer zu ihr kommt, ist meist nur zwei, drei Tage da und kommt dann auch nicht wieder: Es sind die Seeleute, die an den Häfen in Brake (Unterweser), Bremerhaven und Bremen an Land gehen. Die 50-Jährige betreut sie in der Seemannsmission „Stella Maris“.

Emanuel sitzt auf einer Bank, inmitten seiner Arbeitskollegen. Es geht fröhlich zu, die sechs Männer lachen herzhaft. Es ist die letzte Pause, bevor an diesem Abend noch ein gutes Stück Arbeit vor ihnen liegt: Denn sie werden mit ihrem 230-Meter-Frachter in ein paar Stunden wieder ablegen. 18 Tage auf See stehen der Mannschaft – alle kommen von den Philippinen – dann bevor.

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Aber erstmal genießen sie noch die Zeit im „Pier One“ in Brake (Unterweser). Es ist der Seemannsclub „Pier One“ des Hafens und Domizil der Seemannsmission. Das weißgetünchte Haus steht mitten auf dem Areal, zwischen Silos und Lagerhäusern. Auf der anderen Straßenseite erhebt sich der Damm, hinter dem die großen Schiffe liegen.

Trotzdem, „a nice place“ sei es, findet Emanuel. Ein schöner Platz. Der 31-Jährige fährt seit elf Jahren als Maschinist auf See. Dieses Mal waren seine Stationen bisher unter anderem die USA, Brasilien, Belgien, Slowenien. Neun Monate war er so unterwegs – jeden Tag acht Stunden unter Deck bei den riesigen Motoren – Seefahrerromantik kommt da nicht auf.

Den Seeleuten den Alltag erleichtern, wenn sie im Hafen sind. Das ist zuallererst einmal ihre Aufgabe, beschreibt es Christine Freytag, die Leiterin der Seemannsmission „Stella Maris“ in Bremen. Die Frau im orangenen T-Shirt und ihre Ehrenamtlichen sind wohl am nächsten an der Realität auf den Frachtern und Containerschiffern dran.

Emanuel (zweiter von links) mit seinen Kollegen.

Sie wollen den Seeleuten so unkompliziert wie möglich helfen und sehen sich als Unterstützer für alltägliche Dinge: mit den Seeleuten zum Einkaufen fahren. Oder Dollar in Euro umtauschen. In Brake tun sie das an sechs Abenden in der Woche – nur am Sonntag sind die Türen zu. „Das Angebot wird gut angenommen, die Seeleute sind froh, dass sie hier eine Anlaufstelle haben“, sagt Christine Freytag.
Für Christine Freytag ist das auch ein Teil der Seelsorge: „Seelsorge ist alles zusammen, die Einkaufsfahrten, die Gespräche und auch das Gebet oder der Segen“, sagt sie. An Bord müssten die Menschen auf vieles verzichten, da seien sie froh, dann an Land in die „echte Welt“ zu kommen: „Seelsorge ist das für mich auch deshalb, weil mir Seeleute immer wieder sagen, dass sie durch dieses Stück Normalität auftanken und Kraft für den oft monotonen Arbeitsalltag sammeln.“

Christine Freytag (links) mit ihrem Kollegen Michel Jeevarathinam und Antje Zeller von der Deutschen Seemannsmission.

Brake sei hier ein besonders geeigneter Standort: „Hier wird viel Getreide und Futtermittel gelöscht. Das dauert meist etwas länger als die Container bei den Containerschiffen“, erzählt die evangelische Diakonin, die selbst ein paar Jahre lang auf einem Plattbodenschiff, einem Segelschiff, in den Niederlanden gearbeitet hat. Deshalb bleiben ihre Gäste meist zwei, drei Tage. Da seien mehr Möglichkeiten da, um auch tiefer ins Gespräch zu kommen als bei den Containerschiffen. Dort dauere es oft nur ein paar Stunden zur Ent- und Beladung.

Gesprächsthemen gebe es genug: Die Isolation auf dem Schiff im Ozean, wochenlang mit seinen Arbeitskollegen zusammen zu sein, mit nur wenig Platz. Die lange Zeit fort von zu Hause, auch die Sorge um die Menschen: Wird noch alles so sein, wenn man wiederkommt? Oder wie steht man seiner Frau bei, wenn es Ärger mit den pubertierenden Kindern gibt? Zwei Fragen von vielen, die die Seeleute umtreiben.

Weitere Infos

  • Die Katholische Seemannsmission Stella Maris arbeitet in vielen Ländern. In Deutschland gibt es zwei Einrichtungen: eine in Hamburg und eine in Bremen, die auch für die Häfen in Bremerhaven und Brake zuständig ist. Stella Maris ist lateinisch und bedeutet Meeresstern. Dies ist ein Beiname für Maria, die Gottesmutter.
  • Der Seemannsclub „Pier One“ im Hafen von Brake an der Unterweser wird in ökumenischer Partnerschaft von der evangelischen Deutschen Seemannsmission und der katholischen Seemannsmission Stella Maris betrieben. Er existiert mittlerweile seit fast 20 Jahren.
  • Mehr Informationen und Kontaktmöglichkeiten zur katholischen Seemannsmission findet sich hier im Internet.

Der kleine Platz vor „Pier One“ hat sich mittlerweile gut gefüllt, eine weitere Schiffsmannschaft – ebenfalls Philippinos – ist dazu gekommen. Die „Crew“ der Seemannsmission hat Salate besorgt. Am Würstchengrill steht die Kollegin der evangelischen Deutschen Seemannsmission – die beiden Konfessionen arbeiten hier eng zusammen. Es soll gefeiert werden heute, am 25. Juni, denn es ist der Tag der Seeleute. Der Gedenktag würde schon von den Menschen auf den Schiffen beachtet – schließlich stünden diese oft nicht im Rampenlicht, obwohl ohne sie der Handel über die Weltmeere nicht möglich wäre, so Freytag.

Mit dabei ist auch Tom Bubeck. Seit 2018 ist der ältere Herr als Ehrenamtlicher dabei, seit er aus dem Rheinland nach Brake zog – zur Tochter, die ebenfalls hier wohnt. Ein Mal die Woche kommt er zum „Pier One“ und plaudert mit den Schiffsbesatzungen oder hilft in der Seemannsmission. Für ihn ist die Aufgabe eine Win-Win-Situation. Er könne helfen und bekomme andererseits viel vom Leben in der Welt mit, wenn die Menschen von ihrer Heimat erzählen. „Man lernt hier Leute kennen und bekommt eine Menge an Dankbarkeit zurück“, sagt der 80-Jährige.

Tom Bubeck im Gespräch mit zwei Seemännern von den Philippinen.

Oben im Seemannsclub spielen später am Abend ein paar der Seeleute Billiard oder relaxen auf dem Ecksofa. Der Club ist mit vielem ausgestattet, was man für einen entspannten Abend braucht, auch einem kostenlosen WLAN, für den Kontakt mit der Heimat. An der Wand hängen drei Uhren: Eine zeigt die Zeit von Odessa in der Ukraine, eine die der Kapverdischen Inseln vor Westafrika und eine die von Manila, der Hauptstadt der Philippinen. Für die Seeleute eine kleine Erinnerung an ihre Heimat, von der sie hier in Brake doch weit entfernt sind.