1. Januar 2021 – Neujahr
Ein Bild von Maria – zwei Sichtweisen
Die stillende Muttergottes
Maria stillt Jesus – beide wirken fröhlich und anmutig, berühren sich ungeniert und der Künstler zeigt unbefangen Körperlichkeit. Maria reicht Jesus die Brust – der spielt erst damit, so wie Babys das manchmal tun. Die tiefe Verbundenheit zwischen Mutter und Baby wird hier dargestellt: Das Baby, das Nahrung braucht, und die Mutter, deren Körper die Milch spendet. Ohne die Fürsorge der Mutter kann das Baby nicht leben.
Heute feiert die Kirche das Hochfest der Gottesmutter Maria – am Anfang des neuen Jahres steht der Zauber des Anfangs der Geburt und der Mutter-Kind-Beziehung. Gott begibt sich dort hinein, läßt sich versorgen und lieben.
„Das ist das ganze Geheimnis eines Kindes, dass es uns durch sein bloßes Dasein nötigt, es zu lieben und dass es davon lebt, für nichts geliebt zu werden.“
Eugen Drewermann
Die thronende Muttergottes
Keiner Heiligen wurde eine solche Wertschätzung zuteil, wie ihr: Maria, der Muttergottes. Als Beispiel für die stetig wachsende Marienverehrung steht die thronende Muttergottes mit Kind, denn um 1200 ist ein erster Höhepunkt zu verzeichnen und eine geänderte Darstellungsweise zu erkennen. Marien dieses Bildtypus sitzen auf einem Thron, der an jenen von König Salomon erinnert. So wird auf die Weisheit dieses alttestamentlichen Königs verwiesen. Gleichzeitig bezieht man sich auf den Stammbau Jesus. Diesen Sitz der Weisheit, den sedes sapientiae, hat Maria nun eingenommen und zugleich bildet sie selbst den Thron für Christus, der somit als menschgewordenes Wort Gottes vor Augen geführt wird. Die gesteigerte Bedeutung Mariens lässt ebenfalls die am Kopf der Figur umlaufende Kante erkennen, die annehmen lässt, dass sie zudem einstmals eine Krone trug, welche sie als Himmelskönigin auswies.
Maria ist auffällig nach vorne geneigt. Das zeigt, dass romanische Skulpturen eng mit der Architektur verbunden gewesen sind, denn Marienbildnisse dieser Art haben vor einer Wand gestanden oder waren Teil eines Altarschreins. Im Vergleich zu Skulpturen früherer Entstehungsjahre ist diese allerdings deutlich lebendiger gearbeitet, indem Symmetrien aufgebrochen, Gewandfalten lebensnäher und Haare natürlicher gestaltet werden.