Reden ohne Konsequenzen
Ein großer, karger Raum im dritten Stock: eine in die Jahre gekommene Holzvertäfelung, ein Fitnessgerät, ein Kickertisch, einfache Stühle und Tische, auf denen dickwandige blau-weiße Porzellantassen stehen, wie sie vor langer Zeit vielleicht mal modern waren. Eigentlich ist hier so ziemlich alles in die Jahre gekommen und es erinnert nicht viel daran, dass in diesem Raum am Wochenende Gottesdienste gefeiert werden – bloß ein Kreuz, das auf einem großen Tisch steht. Hier ist alles anders.
Aber wie soll es auch anders sein im Gefängnis. „Kaffee?“, fragt Pastor Frank Kribber und reicht eine Thermoskanne, Zucker und Kaffeeweißer. Bei den Kirchengruppen gibt es immer Kaffee. Sonst bekommen die Inhaftierten in der Untersuchungshaftanstalt Osnabrück keinen. Selbst zum Frühstück gibt es nur Tee.
Gefängnisseelsorge in Zahlen
Im Bistum Osnabrück sind sechs Personen in der Gefängnisseelsorge tätig. Es gibt neun Einsatzstellen für den Justizvollzug im Bistum: zwei in Osnabrück, zwei in Lingen, zwei in Meppen, und jeweils einer in Hesepe, Emden und Bremen. Die JVA Lingen hat etwa 450 Bedienstete und knapp 800 Haftplätze. Im Untersuchungsgefängnis Osnabrück sind bis zu 45 Gefangene in der Regelbelegung und bis zu 52 im Notfall untergebracht.
Vielleicht kommen einige Gefangene auch deshalb zur Kirchgruppe oder weil sie nach dem Gottesdienst eine Runde kickern dürfen. Vielleicht auch, weil sie ein wenig Abwechslung bekommen oder einfach mal jemanden zum Reden haben. Sie sitzen sonst 23 Stunden am Tag in ihrer neun Quadratmeter großen Zelle.
Nicht zu wissen, wie es weitergeht, welche Strafe einen erwartet – das ist keine einfache Situation für die Gefangenen in der Untersuchungshaftanstalt Osnabrück. „Gefängnisseelsorger unterliegen der Schweigepflicht. Wir dürfen gar nichts melden. Das bedeutet, dass wir die einzigen Angestellten sind, mit denen die Gefangenen reden können, ohne mit Konsequenzen rechnen zu müssen“, erklärt Gefängnisseelsorger Frank Kribber.
Ein Grenzgänger im System Knast
Die Untersuchungshaftanstalt Osnabrück der JVA Lingen liegt mitten in der Stadt. Neben dem Gericht am Neumarkt. Ein marodes, hohes Backsteingebäude mit dicken Wänden und wenigen kleinen Fenstern, vor denen sich dicke Gitterstäbe befinden. Die Insassen leben hier teilweise mehrere Monate und warten auf ihren Prozess, weil bei ihnen in der Regel Flucht-, Wiederholungs- oder Verdunklungsgefahr besteht.
Nicht mehr selbstbestimmt handeln zu dürfen, nicht mehr Herr der eigenen Lage zu sein, das ist keine einfache Situation. „Freiheitsentzug ist eine Strafe. Die Strafe der Strafe wäre es, diese Menschen schlecht zu behandeln. Man muss immer im Blick haben, dass die Menschen irgendwann auch wieder entlassen werden“, erklärt der Gefängnisseelsorger, „Wir alle sind Sünder und es bedarf Gottes Barmherzigkeit, durch Gottes Gericht zu kommen.“
Weitere Infos
Pastor Frank Kribber ist niedersachsenweit der einzige katholische Priester, der hauptamtlich in der Gefängnisseelsorge tätig ist. Seit November 2013 ist er somit Seelsorger für die Gefangenen. Er kümmert sich im Gefängnis aber auch um ganz banale Dinge, für die sonst einfach niemand zuständig ist: zum Beispiel, wenn ein Häftling eine neue Batterie für seine Uhr benötigt. Gleichzeitig ist er nicht nur Ansprechpartner für die Gefangenen, sondern auch für die Bediensteten. Ein Gefängnisseelsorger ist ein Grenzgänger im System Knast.
Katholische Gefängnisseelsorge Spendenkonto
IBAN: DE71 2665 0001 0100 5842
BIC: NOLADEM21EMS
Jeder Mensch hat eine Würde
Wozu Menschen in der Lage sind, was sie einander antun können – da schockiere ihn nichts mehr, sagt Pastor Kribber. Dennoch möchte er den Menschen dort normal, menschlich, authentisch begegnen. „Die haben sehr schnell raus, ob man es ernst meint. Mir ist aber wichtig, dass sie spüren: Egal, was du getan hast – du behältst deine Würde als Mensch. Inhaftierte wollen ernstgenommen werden. Die Biografie der Menschen erklärt manchmal einiges. Dennoch: Meine Arbeit ist und bleibt immer ein Grenzgang – da muss man sich nichts vormachen.“
Ein Bild und ein Gebet von Gefangenen
Es ist der Glaube daran, dass Du, Gott, mich liebst, so wie ich immer wieder vor Dir steh, – der Glaube, der mich atmen lässt. Es ist der Glaube daran, dass Du mich führst, wo immer mein Weg ist oder ich abkomme von ihm, – der Glaube, der mich lebendig sein lässt. Es ist der Glaube daran, dass Du mich mit Gnade überhäufst, wann immer ich sie nötig hab, – der Glaube, der mich reich sein lässt. Es ist der Glaube daran, dass Du mich mit Kraft versorgst, wie schwach ich auch immer wieder bin, – der Glaube, der mich seliger schlafen lässt. Es ist der Glaube daran, dass Du mir Halt bist, wann immer ich drohe zu stürzen oder schon fiel, – der Glaube, der mich fast alles überstehen lässt. Was immer ich glaube, macht mich zu dem, was ich in Dir, Herr, sein darf,… … so lange Du der Atem meines Glaubens bist. Ich glaube an Dich, Jesus, Du Jesus, meine ganz persönliche Barmherzigkeit. A.E.H.
Josefine May, Seelsorgerin in der JVA Vechta findet: In jedem Mensch steckt etwas Gutes und Gott jedem eine zweite Chance gibt: