3 Fragen zum Religionsunterricht an … Prof. Dr. Martina Blasberg-Kuhnke
Martina Blasberg-Kuhnke ist Professorin für Praktische Theologie: Pastoraltheologie und Religionspädagogik an der Universität Osnabrück und war u.a. Vizepräsidentin für Studium und Lehre an der Universität Osnabrück
- Welche prägende Erfahrung und/oder Erkenntnis haben Sie aus Ihrem eigenen Religionsunterricht mitgenommen?
Die nachhaltigste Erfahrung ist die, dass Religionsunterricht, mehr als nahezu alle anderen Unterrichtsfächer, von der Lehrkraft und der Qualität ihres Unterrichts lebt. Dabei habe ich selbst alles erlebt, in meinem ersten Schuljahr eine Ordensschwester, die uns in dem einen Schulhalbjahr, in dem ich die katholische Grundschule in meiner Heimatstadt Hagen/Westfalen besucht habe, gleich in der ersten Unterrichtsstunde ebenso einprägsam wie religionspädagogisch „schief“ die Trinität erläutert hat, indem sie drei Kerzen angezündet hat und die drei Flammen zu einer zusammengeführt hat. Nach dem Umzug nach Herdecke hatte ich gleich mehrere Religionslehrkräfte in der Gemeinschaftsgrundschule, die ich als freundlich und Kindern zugewandt erlebt habe, während ich die Inhalte nicht erinnere. An meinem städtischen Gymnasium in Wetter/Ruhr wurde der Religionsunterricht nicht selten von (jungen) Priestern der Pfarrei nebenamtlich erteilt, weil Lehrermangel herrschte. Dabei habe ich „solche und solche“, wie man im Ruhrgebiet sagt, erlebt, aber eben auch mehrere Glücksfälle, besonders mit einem Jugendseelsorger, der sozialpastoral engagiert, jugendtheologisch gearbeitet hat, obwohl es diesen religionspädagogischen Ansatz seinerzeit eigentlich noch gar nicht gab, und der ein exzellenter Theologe war. Ich habe lebenslang immer wieder mit ihm, der sich anschließend für Seelsorge in der forensischen Psychiatrie entschieden hat, Kontakt gehalten. Er war, neben überzeugenden und kritischen Pfarrern unserer Diasporagemeinde, bedeutsam für meine in den 1970er Jahren nicht unriskante Entscheidung, als Frau Volltheologie zu studieren. Die prägende Erfahrung der Lehrer:innenpersönlichkeit ist mir im Studium bei meinem Lehrer Adolf Exeler (leider noch ganz ungegendert) wiederbegegnet: „Der Religionslehrer als Zeuge“. - Welche biblische Geschichte würden Sie für den Religionsunterricht als Anregung oder als besondere Herausforderung empfehlen?
„Die“ biblische Geschichte für den Religionsunterricht gibt es nicht; vielmehr ist kinder- und jugendtheologisch danach zu fragen, welche biblische Geschichte, welche Persönlichkeit oder Figur Kindern oder Jugendlichen hier und jetzt in ihrem theologischen Nachdenken, als „passend“ und „pünktlich“ angeboten werden kann, mal um sie zu unterstützen oder auch zu trösten, mal um sie herauszufordern und ihre Überlegungen kritisch voranzutreiben. Dazu brauchen Religionslehrkräfte einen großen „Koffer“ an biblischen Geschichten, Psalmen, Liedern und Sprichwörtern…, damit sie dazu in der Lage sind. Auch deshalb ist Bibeldidaktik ein Kern der theologischen Bildung und ihrer Lehramtsstudierenden. Mir ist in diesen Zeiten persönlich gerade der Schluss des Matthäusevangeliums neu ermutigend und stärkend wichtig: „Seid gewiss: Ich bin bei Euch alle Tage bis zum Ende der Welt“ (Mt 28, 20b). - Welche Erwartungen und/oder Hoffnungen verbinden Sie mit zukünftigem Religionsunterricht?
Derzeit arbeiten wir auf allen Ebenen, theologische Institute und die christlichen Kirchen in Niedersachsen in Aus-, Fort- und Weiterbildung an der Entwicklung der Zukunft des konfessionellen Religionsunterrichts als „gemeinsamer christlicher Religionsunterricht“. Evangelische und katholische Lehrkräfte unterrichten eine religiös heterogene Lerngruppe, jüdische, christliche und muslimische, anders Glaubende und konfessionslose Schüler:innen gemeinsam. Religionslehrkräfte werden zukünftig für viele junge Menschen die ersten und einzigen sein, die sie mit dem christlichen Glauben und seiner Hoffnungsbotschaft vom Reich Gottes, die allen Menschen gilt, bekanntmachen und in Berührung bringen. Kirchliche Schulen werden als Orte der intensiven religionspädagogischen Arbeit und des besonderen Angebots von Christen in der pluralen schulischen Landschaft von noch größerer Bedeutung sein. Angesichts des rapiden Vertrauens- und Bedeutungsverlustes der christlichen Kirchen ist der Religionsunterricht zu einem besonders herausfordernden aber auch einem der hoffnungsvollsten Orte der Kommunikation des Evangeliums geworden.