30. Dezember 2020

Eine Hand an einer Glasscheibe
Der Mensch bleibt ungesehen - von der Welt, aber nicht von Gott. Bild: Nikola Dicke

Eine Hand im Nebel

Eine Hand umgeben von Nebel, hinter einer Scheibe. Von außen ist nicht zu erkennen, wer die Person ist und was hinter dieser Fensterscheibe vor sich geht. Was macht sie aus? Wie geht es ihr?

Wie so viele Menschen in dieser von der Corona-Pandemie geprägten Zeit bleibt sie unsichtbar für die Außenwelt. Wir wissen nicht, ob die Person zu Hause – dem Ort, der Schutz bieten sollte – wirklich in Sicherheit ist. Wir wissen nicht, was die Situation ihr abverlangt, ob sie mit anderen lebt oder allein. Wir kennen sie nicht, wissen nichts über ihren Beruf, kennen ihren Namen nicht oder ihre Ängste und Hoffnungen.

Der Mensch, dem diese Hand gehört, bleibt uns verborgen, bleibt anonym, ungesehen.

Wirklich ungesehen? Ungesehen vielleicht von der Welt, von den Mitmenschen, vielleicht auch vom System – aber nicht ungesehen von Gott. Gott sieht diesen Menschen, sieht uns – auch wenn wir für die Welt unsichtbar zu sein scheinen. Gott als der „Ich bin, der ich bin“ (Ex 3,14) kommt je neu auf uns zu und lädt uns zur Freundschaft mit ihm ein. Dieses Angebot erreicht in der Menschwerdung Gottes in Jesus von Nazareth seinen unüberbietbaren Höhepunkt. Darin kommt Gott uns ganz nah, wird berühr- und sichtbar für uns. Dieser Gott lässt uns nicht in unserer Unsichtbarkeit, sondern versucht uns immer wieder daraus zu befreien, indem er uns ansieht.

Die Zuwendung Gottes erfahren wir vielleicht konkret in einem spannenden Telefonat mit der Freundin, in der Nachbarin, die Hilfe beim Tragen der Einkäufe anbietet oder in einem Fremden, mit dem wir ganz unerwartet ins Gespräch kommen.

Farina Dierker