Auf Fußhöhe

Füße im Wasser
Bild: unsplash.com, Nirzar Pangarkar

Jedes Jahr neu berührt mich eine Zeichenhandlung in der abendlichen Liturgie des Gründonnerstags. Von der Zeit Jesu an hat es die Menschen beeindruckt: die Fußwaschung. Die völlig unerwartete Geste Jesu nach dem entscheidenden Mahl, bei dem er sich selbst anbietet als lebendiges Brot und als kostbarer Wein. Seine ganze Hingabe bis zur bitteren Neige kleidet er in dieses Zeichen, in das Zeichen des Mahles: alltägliche Nahrung, festliche Freude und tiefe Gemeinschaft sollen der Ausweis seiner Gegenwart bleiben, auch wenn er sein irdisches Leben vollendet hat.

Und er setzt das Zeichen der Fußwaschung hinzu, um nachhaltig deutlich zu machen, was der Apostel Paulus im Brief an die Philipper in einem ganz frühen Hymnus aufgreift: „Er war Gott gleich, hielt aber nicht daran fest, wie Gott zu sein, sondern entäußerte sich und wurde wie ein Sklave und den Menschen gleich“ (Phil 2,6). Sein Weg ist nicht die Herrschaft, sondern der Dienst: ,Begreift ihr, was ich da tue? Ihr sollt es auch weiter so tun in eurem Lebensstil, in eurem Umgang mit Macht und Autorität, in eurer familiären und öffentlichen Umgebung.‘

Über den Autor

Franz-Josef Bode ist unser Bischof und Vorsitzender der Pastoralkommission der Deutschen Bischofskonferenz. Seit 2010, damals als erster deutscher Bischof, schreibt Bode in unserem Bistumsblog über Begegnungen und Gedanken aus seinem bischöflichen Alltag.

Wenn ich dann als Bischof – in der Nachahmung Christi – in der Liturgie des Gründonnerstags mein Gewand ablege und eine Leinenschürze umbinde, wird mir bewusst, dass diese Schürze genauso wesentlich zu meinem Amt gehört wie die Stola, das Zeichen des priesterlichen Dienstes. Und wenn ich mich – nicht ohne Anstrengung – mehrmals niederknie und die Füße so verschiedener Menschen umgreife und sie wasche, dann kommen mir blitzartig die Geschichten und Erfahrungen dieser Menschen in den Sinn, deren Füße so viel von ihren jungen oder alten, ihren leichten oder schweren Lebenswegen sagen.

Vorher habe ich bei einem kleinen Mahl im Bischofshaus von diesen Geschichten gehört: verschiedene Generationen und Berufe; Flüchtlinge, die unsägliche Wege hinter sich haben; Kranke und Gesunde; und in diesem Jahr Menschen aus ganz Europa. Inmitten des zu zerbrechen drohenden Europas erinnern sie daran, dass dessen Grundlage der Geist Christi ist, und das ist der Geist der Fußwaschung, der Dienst aneinander. Nur in diesem Sinn dürfen wir von einem christlichen Abendland reden.

Füße sagen viel über das Leben, sie müssen viel tragen und aushalten. Und sie sind hoch empfindlich. „Soweit die Füße tragen“ geht ein Leben durch Höhen und Tiefen dahin. – Wie oft waschen wir uns lieber gegenseitig den Kopf?! Nein, gehen wir lieber miteinander auf Augenhöhe, noch besser auf Fußhöhe.

Kein anderer Abend im Kirchenjahr entlässt mich so nachdenklich in die Nacht …

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