Auf Spurensuche
Jesus kam in seine Heimatstadt; seine Jünger folgten ihm nach. Am Sabbat lehrte er in der Synagoge. Und die vielen Menschen, die ihm zuhörten, gerieten außer sich vor Staunen und sagten: Woher hat er das alles? Was ist das für eine Weisheit, die ihm gegeben ist! Und was sind das für Machttaten, die durch ihn geschehen! Ist das nicht der Zimmermann, der Sohn der Maria und der Bruder von Jakobus, Joses, Judas und Simon? Leben nicht seine Schwestern hier unter uns? Und sie nahmen Anstoß an ihm. Da sagte Jesus zu ihnen: Nirgends ist ein Prophet ohne Ansehen außer in seiner Heimat, bei seinen Verwandten und in seiner Familie. Und er konnte dort keine Machttat tun; nur einigen Kranken legte er die Hände auf und heilte sie. Und er wunderte sich über ihren Unglauben. Jesus zog durch die benachbarten Dörfer und lehrte.
Markus 6,1b-6
Das Evangelium berichtet von der Ablehnung Jesu in seiner Heimatstadt. Hier, wo er aufgewachsen ist, wo er die ersten Erfahrungen im Glauben gemacht hat, da kennen sie ihn. – Und das ist das Problem! Zuerst staunen sie über den Rückkehrer, der jetzt in ihrer Synagoge lehrt, dann aber brodelt es: Wir wissen doch, wer der ist: Der Zimmermann, der Sohn der Maria. Was redet der da und was macht der da?
Mir fällt zum Thema Rückkehrer immer wieder Sönke Wortmanns Film „Sommerfest“ aus dem Jahr 2017 ein: Da hat es einer in München zum Theaterschauspieler gebracht; nun kehrt er zurück in seine Heimatstadt Bochum, um das Reihenhaus seines verstorbenen Vaters zu verkaufen. In der Bergarbeitersiedlung kennen sie ihn aber gar nicht als den Schauspieler, sondern als den alten Kumpel Stefan, der hier aufgewachsen ist. Seiner Jugendliebe erklärt er, warum er einst die Heimatstadt verlassen hat, mit dem wunderbaren Satz: „Woanders weiß man selber, wer man ist, hier wissen es die Anderen.“
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Jesus muss sich ähnlich gefühlt haben. Es folgt ein Seufzer, der zum geflügelten Wort geworden ist. Jesus sagt: „Nirgends ist ein Prophet ohne Ansehen außer in seiner Heimat, bei seinen Verwandten und seiner Familie.“ Und dann heißt es weiter: „Er konnte dort keine Machttaten tun.“ – Ohne Glauben und Vertrauen lassen sich offenbar keine Berge versetzen.
Wichtiger als diese Schilderungen von Ablehnung und Blockade, die Jesus und sein Umfeld auf so menschliche Weise zeigen, erscheint mir die Selbstverständlichkeit, mit der es in der Folge einfach weitergeht. Die Lesung endet mit den Worten: „ Er wunderte sich über ihren Unglauben. Und Jesus zog durch die benachbarten Dörfer und lehrte dort.“ – Ein Satz, der schon das nachfolgende Kapitel einleitet, in dem Jesus nun auch die Jünger aussendet, um seine Botschaft vom Reich Gottes zu verkünden: „Er rief die Zwölf zu sich und sandte sie aus.“ (Markus 6,7-13).
Jesus resigniert nicht, er bricht auf – mehr noch: Er ruft seine Jünger zu sich, beauftragt sie, das gleiche zu tun. Aufbruch aus lieb gewonnenen Mauern, trügerischen Fassaden der Vergangenheit, Gewohnheiten und vermeintlichen Sicherheiten. Unterwegs sein. Denn woanders weiß man selber, wer man ist. Immer auf der Spurensuche des Glaubens. Im Gepäck nur die Sehnsucht nach Gott.
Diakon Gerrit Schulte