Aufmerksam werden für die Gegenwart Gottes
Manche betrachten es als Gesundheitsvorsorge; für andere ist Meditieren etwas Spirituelles: ein Weg, um sich selbst näher zu kommen und damit näher zu Gott. So sieht es jedenfalls Schwester Kristina Wolf, Ordensfrau in der Gemeinschaft der Missionsärztlichen Schwestern. Sie leitet im Meditationszentrum Heilig Kreuz des Bistums Limburg Neueinsteiger in Meditation an und bietet für Erfahrene Kurse in Kontemplation. Sie selbst meditiert regelmäßig, um ins Gebet zu kommen.
Meditieren – kann das jeder lernen?
Nun, was heißt lernen. Das klingt ein bisschen danach, als ob es richtiges oder falsches Meditieren gibt und man das richtige erlernen kann. Für Meditation gilt: Jeder kann es ausprobieren. Jeder kann damit anfangen und erfahren, wie es ist, ganz bewusst im Hier und Jetzt zu sein.
Sie haben im Meditationszentrum speziell ein offenes Angebot für Anfänger?
Ja, und es ist ein Angebot, kein Kurs und kein Seminar. Wir geben Hilfestellung dabei, wie man ins Meditieren kommen kann. Wie man nach einem Arbeitstag zur Ruhe kommen und in die Stille gelangen kann. Das sind von uns nur Anregungen, Vorschläge, wie man zum Beispiel mit dem Atem in die Stille kommen kann. Herausfinden kann jeder und jede selbst, was ihm oder ihr hilft, im jeweils eigenen Rhythmus.
Wie kann man sich das konkret vorstellen?
Wir meditieren in einem schönen, hellen, warmer Raum, ganz schlicht, nichts lenkt ab. Er hat eine hohe Decke und Fußbodenheizung, so dass auch Teilnehmende, die sich auf dem Boden niederlassen, nicht frieren. Die Teilnehmenden können sich aussuchen, ob sie ein Meditationskissen nehmen, ein Bänkchen oder auf einem Stuhl sitzen wollen. Wichtig ist, dass die Knie niedriger sind als das Becken, damit man aufrecht sitzen und der Atem frei fließen kann.
Und dann schließen alle die Augen und legen los?
Nein, als Erstes beginnen wir mit einer Körperübung, um von der Bewegung in die Stille zu kommen. Ich selbst nehme gerne eine Übung, bei der wir zunächst aufrecht und mit beiden Füßen fest auf dem Boden stehen. Die Menschen können erspüren, wie der Kontakt zum Boden ist, ob sie einen festen Stand haben, in diesem Moment gut geerdet sind. Sie können fühlen: Der Boden trägt mich. Und sie können ihren Atem spüren, im eigenen Rhythmus atmen.
Jeder im eigenen Rhythmus? Nicht so, wie sie es vorzählen?
Ein-Atemzug-Meditation
Interessierten, die ausprobieren wollen, ob sie Gefallen an Meditation finden könnten, empfiehlt Schwester Kristins Wolf die kurze Ein-Atemzug-Meditation, die man jederzeit ausprobieren kann, wenn man einen festen Stand hat:
- Jetzt.
- Bleib stehen.
- Spüre den Boden.
- Nimm einen Atemzug.
- Geh weiter.
Nein, die Teilnehmer spüren einfach ihren Atem. Es geht darum, das nicht zu werten. Nicht zu denken, „mein Atem ist heute viel zu schnell“. Mein Atem ist, wie er ist! Ich lade dann dazu ein, in die Bewegung zu kommen, indem wir uns wiegen. Mit dem Einatmen verlagern wir das Gewicht auf den linken Fuß, mit dem Ausatmen, auf den rechten, so bekommen die Teilnehmenden ihre Atemgeschwindigkeit mit. Dann drehen wir uns nach links und gehen alle im Kreis. Ziel ist, den Boden zu spüren, aufrecht zu bleiben und zu atmen. Ich atme und bewege mich mit dem Atem durch den Raum. Es geht darum, im Rhythmus des Atems zu gehen, nicht, im Rhythmus des Gehens zu atmen.
Und dann setzen sie sich hin?
Ja, wenn wir dann sitzen, ist für Einsteiger die Ein-Atemzug-Übung schön. Damit bleibe ich mit meiner Aufmerksamkeit bei einem Atemzug. Das funktioniert meistens bei allen. Einfach den Atemzug wahrnehmen. Ich kann immer wieder neu anfangen. Den Atemzug wahrnehmen, vielleicht bin ich auch mal mit meinen Gedanken woanders, aber dann komme ich wieder zurück zu meinem Atem. Mehr braucht es gar nicht. Wenn ich rauskomme, versuche ich, das nicht zu bewerten. Aber auch nicht aufgeben. Als Anfang reichen ein, zwei Minuten, später sind es vielleicht 25 Minuten Übungszeit.
Das kann ich auch zu Hause machen?
Weitere Infos
- Einatmen und Ausatmen. Das klingt simpel, ist aber keineswegs trivial! In einer Videoreihe gibt der Atem-, Sprech- und Stimmlehrer Bruder Karl-Leo Tipps, wie Sie Ihren Atem ganz neu wahrnehmen können.
- Wie unterscheiden sich christliche und fernöstliche Meditation? Eine Antwort auf diese Frage und weitere hilfreiche Informationen zum Thema Meditation gibt es hier von Pater Franz.
- Termine mit meditativen Elementen finden Sie im Terminkalender des Bistums Osnabrück.
Ja, überlegen Sie sich, ob es eine feste Zeit gibt, am Morgen oder am Nachmittag, zu der sie meditieren wollen. Eine Zeit, zu der sie niemand stört, und an einem Ort, wo sie für sich sein können. Sie können mit einem Ritual beginnen und vor dem Meditieren eine Kerze anzünden. Setzen Sie sich auf einen Stuhl oder eine gefaltete Decke, nicht aufs Sofa, weil man da nicht gut aufrecht sitzen kann. Legen Sie ein Zeitfenster fest, stellen Sie sich die Weckfunktion am Handy ein, keinen Wecker, dessen Ticken sie stört. Und beenden sie die Meditation dann auch bewusst.
Wenn ich nun aber kein Typ fürs Stillsitzen bin? In der heutigen Arbeitswelt wird doch viel zu viel gesessen. Vielleicht sollte ich mich beim Radfahren auspowern oder laufen?
Ja, Sie können natürlich joggen gehen, dann duschen Sie zu Hause und setzen sich dann einfach zwei Minuten hin, um in die Stille zu kommen. Es müssen ja nicht 20 Minuten sein. Und: Niemand muss in der Stille sitzen, um zu meditieren.
Warum ist Meditation sinnvoll?
Für manche Menschen ist Meditation eine Art Gesundheitsprophylaxe. Meditation hilft ihnen, Stress zu reduzieren und sich zu entspannen. Mir hilft die christliche Meditation, um mit mir in Kontakt zu sein und auch mit anderen in Kontakt zu treten. Und es hilft mir, ins Gebet zu kommen. Meditieren verhilft zur Aufmerksamkeit für die Gegenwart, und das ist für mich die Gegenwart Gottes. Gott ist da. Wenn ich auch da bin, kann ich ihm begegnen.