Die Tasse Kaffee auf der Müllhalde

Bibelfenster zum 1. September 2016:

Als Jesus an einem Sabbat in das Haus eines führenden Pharisäers zum Essen kam, beobachtete man ihn genau. Als er bemerkte, wie sich die Gäste die Ehrenplätze aussuchten, nahm er das zum Anlass, ihnen eine Lehre zu erteilen. Er sagte zu ihnen: Wenn du zu einer Hochzeit eingeladen bist, such dir nicht den Ehrenplatz aus. Denn es könnte ein anderer eingeladen sein, der vornehmer ist als du, und dann würde der Gastgeber, der dich und ihn eingeladen hat, kommen und zu dir sagen: Mach diesem hier Platz! Du aber wärst beschämt und müsstest den untersten Platz einnehmen. Wenn du also eingeladen bist, setz dich lieber, wenn du hinkommst, auf den untersten Platz; dann wird der Gastgeber zu dir kommen und sagen: Mein Freund, rück weiter hinauf! Das wird für dich eine Ehre sein vor allen anderen Gästen. Denn wer sich selbst erhöht, wird erniedrigt, und wer sich selbst erniedrigt, wird erhöht werden. Dann sagte er zu dem Gastgeber: Wenn du mittags oder abends ein Essen gibst, so lade nicht deine Freunde oder deine Brüder, deine Verwandten oder reiche Nachbarn ein; sonst laden auch sie dich ein, und damit ist dir wieder alles vergolten. Nein, wenn du ein Essen gibst, dann lade Arme, Krüppel, Lahme und Blinde ein. Du wirst selig sein, denn sie können es dir nicht vergelten; es wird dir vergolten werden bei der Auferstehung der Gerechten.

Lukasevangelium 14, 1.7-14 (Einheitsübersetzung)

Müllhalde Brasilien, Bild: Eva Schumacher
Obwohl die Menschen, die auf der Müllhalde im Slum lebten, nichts hatten, gaben sie Eva Schumacher mit dem kleinen Schluck Kaffee noch so viel. Dieses Bild machte sie damals auf der Müllhalde. (Bild: Eva Schumacher)

 

Das heutige Evangelium hat mich an eine Situation erinnert, in der ich zu Gast war. Auch ich war beschämt, aber das lief ganz anders:
Ich reiste mit dem Franziskaner Pater Beda 2002 durch Brasilien, um die Ärmsten der Armen zu besuchen. Wir kamen zu einer Familie, die auf einer Müllhalde wohnte. Diese Familie hatte nichts. Ein bisschen Geld verdienten sie sich, indem sie aus dem Müll einzelne „Rohstoffe“ aussortierten, die sie dann verkaufen konnten. Als wir zu ihrer zusammengebastelten Hütte, dem Zuhause der Familie, kamen, lud uns die Dame des Hauses auf einen Cafesinho ein, ein gängiges Getränk in Brasilien.

Aber wenn es auch nur ein Schlückchen Kaffee mit viel Zucker ist, so ist es doch eine große Gabe für Menschen, die eigentlich nichts haben. Es war mir schon unangenehm, die Gastfreundschaft anzunehmen, weil ich doch wusste, wie viel Wert ein Schlückchen Kaffee für diese Familie hatte. Als die Dame des Hauses mir dann ihre Hütte zeigte, sagte sie: „Es tut mir leid, dass es nicht sauber ist.“ Und mit diesem kleinen Satz und dem Glas mit einem Schlückchen Kaffee darin hat sie meine bisherige Lebensweise massiv erschüttert.
Ich war tief beschämt. Ich habe MICH geschämt! Diese Frau, die nichts hat, oder vielleicht gerade das Allernötigste zum Überleben, gibt mir etwas von dem Wenigen, ohne auch nur einen Moment zu zögern. Und dann entschuldigt sie sich auch noch bei mir, dass es in ihrem Haus nicht sauber ist – die Frau, die auf einer Müllhalde leben muss.

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Wer bin ich denn? Nur, weil ich das Glück hatte, in Europa, in Deutschland geboren worden zu sein? Nur, weil ich weiß bin? Ausgerechnet ich, die so oft nicht geteilt oder abgegeben hat, obwohl es mir kein bisschen wehgetan hätte?
Klar sollten die, die genug haben, denen abgeben, die arm sind. Klar sollten die, denen es gut geht, den Schwachen und Hilflosen helfen. Schade, dass das in der Realität noch immer nicht selbstverständlich ist.
Ich möchte Sie aber darüber hinaus motivieren, sich belehren zu lassen – dort, wo sie es am wenigsten vermuten. Bei Menschen, denen Sie materiell, vom Bildungsniveau und in vielen weiteren Bereichen haushoch überlegen sind.
Gehen Sie doch mal auf einen Obdachlosen, auf Flüchtlinge oder zum Beispiel nur auf Kinder zu, in einer Haltung, die deutlich zeigt, ich möchte und kann von Dir lernen.
Ich glaube, es wird Sie bewegen und weiter bringen – nicht kognitiv, aber ganz tief in Ihrem Herzen …

Eva Schumacher, Pastoralreferentin