Das eine verlorene Schaf
Bibelfenster zum 15. September 2016:
Alle Zöllner und Sünder kamen zu ihm, um ihn zu hören. Die Pharisäer und die Schriftgelehrten empörten sich darüber und sagten: Er gibt sich mit Sündern ab und isst sogar mit ihnen. Da erzählte er ihnen ein Gleichnis und sagte:
Wenn einer von euch hundert Schafe hat und eins davon verliert, lässt er dann nicht die neunundneunzig in der Steppe zurück und geht dem verlorenen nach, bis er es findet?
Und wenn er es gefunden hat, nimmt er es voll Freude auf die Schultern, und wenn er nach Hause kommt, ruft er seine Freunde und Nachbarn zusammen und sagt zu ihnen: Freut euch mit mir; ich habe mein Schaf wiedergefunden, das verloren war.
Ich sage euch: Ebenso wird auch im Himmel mehr Freude herrschen über einen einzigen Sünder, der umkehrt, als über neunundneunzig Gerechte, die es nicht nötig haben umzukehren.
Oder wenn eine Frau zehn Drachmen hat und eine davon verliert, zündet sie dann nicht eine Lampe an, fegt das ganze Haus und sucht unermüdlich, bis sie das Geldstück findet?
Und wenn sie es gefunden hat, ruft sie ihre Freundinnen und Nachbarinnen zusammen und sagt: Freut euch mit mir; ich habe die Drachme wiedergefunden, die ich verloren hatte.
Ich sage euch: Ebenso herrscht auch bei den Engeln Gottes Freude über einen einzigen Sünder, der umkehrt.Lukasevangelium 15, 1-10 (Einheitsübersetzung)
Verlorenes Schaf, verlorene Drachme, verlorener Sohn – die Gleichnisse vom Verlorenen sind bekannt. Allen ist gleich: Es geht immer um die Freude über das Wiederfinden. Das mag ich an diesen Texten: Nicht die Schuld und die Frage nach der Verantwortung stehen im Mittelpunkt, sondern die Freude.
Auch sprachlich gefallen mir die Gleichnisse, weil so viele Kontraste darin stecken: hundert und eins, haben und verlieren, lassen und losgehen, suchen und finden.
Der gute Hirte, von dem im Evangelium die Rede ist, lässt seine 99 Schafe zurück, um das Eine zu suchen. Wie dumm! Ökonomisch betrachtet ergibt das absolut keinen Sinn. 99 Schafe sind jetzt in Gefahr – vielleicht stößt ihnen etwas zu, vielleicht laufen noch mehrere weg. Doch der Hirte geht das Risiko ein. Natürlich! Schließlich ist es seine fundamentale Aufgabe, sich um JEDES Schaf zu kümmern.
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Die theologische Deutung des Gleichnisses liegt auf der Hand: Gott wendet sich den Verlorenen bedingungslos zu. Er ist wie der gute Hirte, der sich um jedes einzelne Schaf kümmert. Gott hat eben andere Maßstäbe als die Menschen. „Ebenso wird auch im Himmel mehr Freude herrschen über einen einzigen Sünder, der umkehrt, als über neunundneunzig Gerechte, die es nicht nötig haben umzukehren.“
Schön ist auch: Das verlorene Schaf wird nicht getadelt. Könnte heißen: Mehr Mut zu Abweichungen, auch mal etwas anders machen!
Außerdem steckt für mich ein Appell in diesem Text: Sucht das Verlorene! Wo könnte ich in meinem Leben auf die Suche nach etwas Verlorenem gehen? Eingeschlafene Kontakte wieder aufleben lassen, versteckte Talente ans Licht holen, längst begrabenen Zielen nachgehen …?
Der gute Hirte geht den Weg ganz sicher mit!
Katharina Engelen