Das Brot des Lebens

Bibelfenster zum 8. August 2012:

Jesus antwortete ihnen: Ich bin das Brot des Lebens; wer zu mir kommt, wird nie mehr hungern, und wer an mich glaubt, wird nie mehr Durst haben.

Einheitsübersetzung, Johannes 6, 34-35

Kein Stück Brot wurde weggeworfen. Der Arbeitskollege nannte das seinen „eucharistischen Komplex“. Brot bedeutete für ihn etwas Heiliges – auch außerhalb der gottesdienstlichen Mahlgemeinschaft. Die Krume konnte noch so alt und hart sein, das daneben liegende frische Brötchen noch so verlockend riechen, sein Brot wanderte in den Magen und nicht in den Müll. Dabei ist der Kollege bis heute kein schräger Vogel, vielmehr ein begnadeter Journalist, einer, der aus den Metropolen dieser Welt packende Berichte und Reportagen schreibt, in Flugzeugen ebenso zuhause ist wie in den Wüsten des Orients.

Jesus Christus bezeichnet sich selbst im Evangelium des Sonntags als das „Brot des Lebens“. Brot ist eines der Schlüsselwörter der Kultur- und Ernährungsgeschichte des Menschen: Grundnahrungsmittel und Existenzsicherung zugleich. Die Bitte um das tägliche Brot – für den Hunger des Leibes und den der Seele – wird erst verstehbar vor dem Hintergrund drohender Missernten und Not.
Als Gottes Gabe steht das Brot seit jeher auch für die Liebe Gottes zum Menschen. In Jesus Christus wird Gott nicht nur Mensch, sondern als „Brot vom Himmel“ selbst zur Speise, zum Zeichen der Gemeinschaft mit ihm und untereinander. Gott wird Brot für uns, das uns stark macht, füreinander Brot zu werden: Brot für die Welt.

Das Bibelfenster

Hier kommentieren jede Woche Menschen aus dem Bistum Osnabrück eine Bibelstelle aus einer der aktuellen Sonntagslesungen – pointiert, modern und vor allem ganz persönlich.

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Die Geschichte des Menschen von Aussaat und Ernte, vom Backen und Austeilen des Brotes ist von tiefer Ehrfurcht geprägt. Der jüdische Hausvater zum Beispiel sprach den Segen über das Brot, bevor er es brach – wie Jesus es beim Abendmahl und beim Mahl mit den Emmausjüngern macht. (Wer in diesen Urlaubstagen in die Nähe von Ulm kommt, sollte nicht versäumen, ins dortige Museum der Brotkultur zu schauen. Dort ist die Geschichte des Brotes in all ihren Facetten aufgearbeitet.)

Heute ist diese Ehrfurcht verloren gegangen. Brot ist ein Produkt geworden. Brot kommt aus der Fabrik. Brot ist Handels- und Discounterware. Brot wird in großen Packungen verkauft. Brot wird falsch gelagert. Brot wird weggeworfen. Jedes fünfte Brot landet unverkauft in einer Mülltonne. Allein in Deutschland werden jährlich 500 000 Tonnen Brot vernichtet. Das ist der Jahresbedarf von Niedersachsen. Diese Zahl aus Taste The Waste, einem Dokumentarfilm über den verantwortungslosen Umgang mit Nahrungsmitteln in einer hungernden Welt, lässt erschrecken. Immer mehr Weizen wird auch als Grundstoff für Bioethanol angebaut: Tank statt Teller.

Aktueller könnte der Zwischenruf des Paulus aus dem Brief an die Epheser an diesem Sonntag also nicht sein: „Legt den alten Menschen ab, der in Verblendung und Begierde zugrunde geht, ändert euer früheres Leben, und erneuert euern Geist und Sinn!“ Beim Brötchen backen fängt das an.

Gerrit Schulte