Die Frage nach der Ewigkeit

Bibelfenster zum 14. Juli 2016

Da stand ein Gesetzeslehrer auf, und um Jesus auf die Probe zu stellen, fragt er ihn: Meister, was muss ich tun, um das ewige Leben zu gewinnen? Jesus sagte zu ihm: Was steht im Gesetz? Was liest du dort? Er antwortete: Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen und ganzer Seele, mit all deiner Kraft und all deinen Gedanken, und: Deinen Nächsten sollst du lieben wie dich selbst. Jesus sagte zu ihm: Du hast richtig geantwortet. Handle danach, und du wirst leben.

Einheitsübersetzung, Lukasevangelium 10,25-28

 

Was ist denn das für eine Frage! „Was muss ich tun, um das ewige Leben zu gewinnen?“ Wen kümmert das ewige Leben! Was muss ich tun, um dem Leben hier und heute etwas abzugewinnen? Möglichst das Optimum! Das ist die Frage, auf die die großen Firmen bunt und grell ihre Antworten rund um den Globus senden. Das ist die Frage, denen unzählige Apps in unzähligen Geräten nachjagen. Das ist die Frage, die unsere Gesellschaft bewegt. Das ewige Leben ist was für ewig Gestrige. Oder für Spaßverderber.

Das Bibelfenster

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Schon im Evangelium war diese Frage offensichtlich nicht ernst gemeint. Der Gesetzeslehrer formuliert sie, um Jesus auf die Probe zu stellen. Und dieser antwortet, wie so oft, mit einer Gegenfrage. Er verweist den anderen auf das, was ihm wirklich wichtig ist: „Was liest du im Gesetz?“ Damit verleiht er dem Gespräch plötzlich Würde und Ernsthaftigkeit. Welche Gegenfrage würde Jesus uns heute stellen? „Was vermisst ihr im Diesseits so sehr, dass ihr permanent auf der Suche seid nach dem schnellen Glück oder der lässigen Erfüllung? Einen, der barmherzig mit euch ist, damit ihr barmherzig mit euch selbst sein könnt? Einen, der euch beim Namen ruft, damit ihr euch eurer Identität klar werdet? Einen, der euch liebt von Mutterleib an, damit ihr euch eures Wertes nicht ständig vergewissern müsst?“ Und vielleicht auch: „Verlässliche Beziehungen, Menschen, denen ihr rückhaltlos vertrauen könnt?“

Damit stellt sich die Frage nach der Ewigkeit ganz neu. Dann ist sie keine Vertröstung auf ein Jenseits mehr und auch keine moralische Keule, die mit ewigen Strafen droht oder einer himmlischen Eintrittskarte winkt. Dann ist diese Frage eher ein Leuchten, das das Gute des Lebens hier würdigt, bestärkt, festhält, das Begrenzungen ertragen hilft und Menschen entlastet. Das Beste muss nicht auf Erden erwischt werden. Das Beste kommt zum Schluss – und dann auch noch einfach geschenkt!
Martina Kreidler-Kos,
Frauenseelsorge/Ehe- und Familienpastoral