Der Hut auf unserem Kopf
Bibelfenster zum 13. Juli 2012:
„Jesus kam in seine Heimatstadt; seine Jünger begleiteten ihn. Am Sabbat lehrte er in der Synagoge. Und die vielen Menschen, die ihm zuhörten, staunten und sagten: Woher hat er das alles? Was ist das für eine Weisheit, die ihm gegeben ist! Und was sind das für Wunder, die durch ihn geschehen! Ist das nicht der Zimmermann, der Sohn der Maria und der Bruder von Jakobus, Joses, Judas und Simon? Leben nicht seine Schwestern hier unter uns? Und sie nahmen Anstoß an ihm und lehnten ihn ab.“
Einheitsübersetzung, Markus 6,1-3
„Ich will mich meiner Schwachheit rühmen“
Einheitsübersetzung, 2. Korither 12,9
Kennen Sie die Denkhüte von de Bono? Dahinter steckt eine Methode, eine Diskussion aus verschiedenen Blickwinkeln zu führen, um ein möglichst kreatives Ergebnis zu bekommen. Die Mitmachenden setzten sich Hüte in unterschiedlichen Farben auf: Sie können sich einen weißen Hut aufsetzen und versuchen dann analytisch zu denken oder einen roten – dann gehen sie gefühlsmäßig an die Sache heran usw. – insgesamt gibt es Hüte in sechs unterschiedlichen Farben, die jeweils für eine bestimmte Denkweise stehen.
Welchen Hut braucht es wohl, um zu erfassen, wie Gott in dieser Welt handelt, mit welchen Menschen er rechnet und wie er seine Pläne zum Ziel führt? Nicht jeder Hut passt, um sich in Gott hineinzudenken.
Während sich viele Menschen Jesus anvertrauen, seine Botschaft akzeptieren und berührt sind von seinen Worten und Taten, können die Menschen seiner Heimatstadt nichts Besonderes an ihm finden „und sie lehnten ihn ab“. Welchen Denkhut haben sie dabei auf? Nach welchen Gesichtspunkten beurteilen sie Jesus? Sie denken „rückwärtsgewandt“ – vergangene Erfahrungen sind für sie derart absolut, dass sie mögliche Veränderungen nicht im Blick haben. Die Menschen aus Nazareth reduzieren Jesus auf den Bub, der bei ihnen aufgewachsen ist – eine neue Sicht auf ihn und ein tieferes Kennenlernen schließen sie aus, obwohl sie seine Wunder und seine „Weisheit“ zur Kenntnis nehmen.
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Der Apostel Paulus, obwohl Gott sein Leben umstürzlerisch aus alten Bahnen geworfen und in komplett neue geführt hat, tut sich mit dem Umdenken nicht viel leichter als die Menschen aus Nazareth. Er kann sich nicht vorstellen, seine Sendung als Apostel, von Krankheit behindert, erfolgreich leben zu können und bittet Gott immer wieder, ihn von seiner Behinderung zu heilen. Anscheinend hat es lange gedauert, bis die Antwort Gottes bei ihm durchsickerte und aufgenommen wurde: Meine Gnade genügt dir, denn sie erweist ihre Kraft in der Schwachheit. Welchen Denkhut hatte Paulus auf, dass er nur schwer in das Denken Gottes hineinfand, der ihn mit seinen Defiziten und nicht nur mit seinen Stärken wollte. Ich glaube einen Hut, den wir alle gerne tragen und am liebsten mit ins Bett nehmen – den Hut „Leistungsdenken“: Ich muss stark sein, um etwas leisten zu können.
Warum sollte es uns anders gehen als den Menschen in Nazareth und dem Apostel Paulus? Vielleicht haben ja auch wir „Denkhüte“ auf, Denkgewohnheiten, die uns in der Gottesbeziehung im Wege stehen? Und andersherum – gibt es einen Hut, der zu empfehlen wäre, um sich mit der Art Gottes anzufreunden. Erich Fried spielt in seinem viel zitierten Liebesgedicht „Was es ist“ ebenfalls verschiedene „Hüte“ durch (Angst, Berechnung, Stolz, Einsicht…) und setzt dagegen die Liebe, z. B. in dem ersten Zeilen: „Es ist Unsinn, sagt die Vernunft: Es ist was es ist sagt die Liebe“. Diese Liebe, die Sichtweise, die aus einem liebenden Blickwinkel resultiert, scheint der passende „Denkhut“ zu sein, um sich in Gott hineinzudenken.
Ina Eggemann